Zuweilen schaut man sich ja diese Filme an und denkt: „So absurd! Das ist ja alles völlig aus der Luft gegriffen. So kann das Leben nie und nimmer sein.“ Ich meine zum Beispiel Szenen wie bei „What’s eating Gilbert Grape“, wo sich das Auto gefährlich auf die rechte Seite neigt, weil die überschwere Mama auf dem Beifahrersitz Platz genommen hat. Oder diese völlig irr anmutende Szene in irgend einem Film, dessen Titel ich vergessen habe, wo ein Manager in einem Babyplanschbecken ersäuft. Oder zum Beispiel Cameron Diaz, die in „The Holiday“ auf Stöckelschuhen über einen verschneiten Pfad stakst. Da fragt sich doch jeder, ob es überhaupt einen Menschen auf diesem Planeten gibt, der so blöd ist, im Winter Stöckelschuhe zu tragen. Gut, ich geb’s ja zu, ich denke das nicht, weil ich selber schon im Winter auf hohen Absätzen unterwegs war und zwar nicht nur in der Stadt, wo ohnehin alle Strassen vom Schnee befreit sind. Gut, das nur nebenbei, eigentlich wollte ich ja darauf hinweisen, dass es in Filmen oft Alltagsszenen gibt, bei denen man nur den Kopf schütteln kann und sich fragt, was der Regisseur bloss intus hatte, als er den Film gedreht hat.
An solche Filmszenen wurde ich heute Vormittag erinnert, als ich dabei war, eine Pfanne voll mit kochendem Wasser über eine Unzahl von Fliegenmaden zu giessen, die sich gerade dazu anschickten, unser Grundstück für sich und ihre Nachkommen zu erobern. Das alleine war zwar ziemlich eklig, aber so richtig abstrus war es natürlich noch nicht. Klar, Maden die sich todesmutig aus einem Grünabfallcontainer zu Boden stürzen, wo sie der sichere Tod durch kochendes Wasser erwartet, sieht man nicht alle Tage. Richtig irr wurde die Szene aber erst, als ich mitten im Vernichtungskampf einen Anruf entgegennahm, bei dem es darum ging, dass am Samstag ein neuer Herr Diakon in seine Wohnung einziehen möchte und dass wir doch bitte dafür sorgen sollten, dass die Jugendfestgäste, die zur gleichen Zeit am gleichen Ort ein Fest feiern werden, nicht dumm im Wege herumstehen, wenn der Herr Diakon – den ich übrigens weder kenne, noch je kennen lernen werde, weil ich nicht Mitglied seiner Kirche bin – seine Sessel, Tische und Kochtöpfe anschleppen wird.
Da stand ich also im Garten, angetan in einem bodenlangen geblümten Rock und getupften Ballerinas, in der einen Hand die leere Pfanne, in der anderen das Telefon, auf dem Gesicht einen angeekelten Blick, zwischendurch entsetzt kreischend, weil der Anblick des Getiers so widerlich war, und versicherte der Anruferin, dass ich ganz bestimmt dafür sorgen würde, dass niemand den Herrn Diakon für einen armen Irren hält, bloss weil er sich am einzigen Dorffest des Jahres dazu entschliesst, seine Habseligkeiten in sein neues Domizil zu verfrachten. Eine arme Irre, die dafür sorgen wird, dass andere nicht für irr gehalten werden….
Ich weiss zwar noch nicht genau, weshalb ich die Aufgabe gefasst habe, den Herrn Diakon von der wütenden Dorfbevölkerung zu schützen und ich weiss auch nicht, wie ich verhindern soll, dass der arme Mann attackiert und in die geschlossenen Anstalt verfrachtet wird, und offen gestanden ist es mir im Moment wichtiger, dass die Maden verschwinden als dass der Herr Diakon kommt, aber sobald der Kampf gegen die ekligen Viecher gewonnen ist, werde ich mich der Angelegenheit annehmen. Eines aber wurde mir bei alldem wieder ganz neu bewusst: Keine Filmszene, und sei sie noch so absurd, kann absurder sein als der ganz banale Alltag.