Verstaubt

Als sie neun war, war sie über alle Massen beeindruckt von Facebook. So viel Privates über so viele Menschen, die sie ja auch irgendwie kannte, war für sie, die ein ausgesprochen sozialer Mensch ist, unglaublich spannend.

Als sie zehn war, liess sie keine Gelegenheit aus, mein Facebook-Profil zu durchforsten,  sich durch die Fotos meiner Freunde zu klicken und manchmal in meinem Namen ein „gefällt mir“ zu hinterlassen, wo ich keines hätte hinterlassen wollen.

Als sie elf war, war sie der festen Überzeugung, es werde nun allmählich Zeit, dass sie auch dabei sein darf. Hätten wir es nicht ausdrücklich verboten, sie hätte sich wohl ganz ohne unsere Hilfe ein Profil angelegt. 

Kurz vor ihrem zwölften Geburtstag kam es zu einem erbitterten Streit mit Karlsson, weil sie sich selber die Erlaubnis erteilte, bei Instagram mitzumachen und natürlich kam in diesem Zusammenhang wieder die Frage auf, warum wir kleinkarierten Eltern nicht dazu bereit waren, ein Auge zuzudrücken, um ihr einen verfrühten Einstieg bei Facebook zu gestatten.

Inzwischen ist sie dreizehn und jetzt, wo sie endlich dürfte, käme es ihr nicht im Traum in den Sinn, bei Facebook mitzumachen. Ist doch alles längst Schnee von gestern. Abgesehen von den verstaubten Alten, die sich über Kochrezepte, Erinnerungen an längst vergangene Tage und Politik austauschen, treibt sich doch kein Mensch mehr dort rum.

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Sahnehäubchen

Es gab eine Zeit in meinem Leben, da war Genuss ein rares Gut. Ich war buchstäblich rund um die Uhr gefordert, sehr oft auch körperlich. Ein Bad zu nehmen, ungestört ein Tässchen Tee zu geniessen oder einen ganzen Film am Stück zu schauen, war purer Luxus. Während dieser Zeit bedeuten fünfzehn ungestörte Minuten mit einem liebevoll angerichteten Dessert, einem Latte Macchiato und einer Duftkerze die Welt. Wer mir eine wirklich grosse Freude bereiten wollte, schenkte mir nicht nur eine Badekugel von Lush, sondern gleich noch einen dicken Schmöker und eine Stunde kinderfrei dazu. Alles Liebliche zog mich magisch an, denn um mich herum herrschte fast immer das Chaos. Wann immer ich ein paar Franken übrig hatte, schleppte ich Rosarotes und Geblümtes an, um meinem Leben einen freundlicheren Anstrich zu verleihen. 

Inzwischen ist mein Leben nicht unbedingt weniger herausfordernd, doch die Dinge, die vor ein paar Jahren noch mein Herz hatten höher schlagen lassen, sind selbstverständlicher geworden. Wenn ich finde, ich hätte mal wieder etwas Entspannung nötig, lässt sich das meist einrichten und falls es doch mal nicht klappen sollte, ist das zwar ärgerlich, ein Vollbad im Selbstmitleid nehme ich deswegen aber nicht. Mein Bedürfnis nach Ruhe und Erholung hat also wieder halbwegs normale Ausmasse angenommen. Wenn es um meine eigene Zeit geht, steht nicht mehr der Wunsch nach Entspannung im Vordergrund, sondern der unbändige Drang, zumindest einen Teil der Ideen, die in meinem Kopf schlummern, zum Leben zu erwecken. 

Mit einem gewissen Befremden registriere ich jetzt den ganzen „Gönn dir was“-Kult, der sich in den letzten Jahren ausgebreitet hat. Die Regale in den Läden, die vollgestopft sind mit wunderschönen, aber eigentlich unnützen Dingen, das Tamtam das gemacht wird um die perfekte Kaffeepause im perfekten Ambiente, der Aufwand, der betrieben wird, um es sich selber gut gehen zu lassen. Klar haben wir es uns verdient, nach den anstrengenden Kleinkinderjahren ein wenig auszuspannen und die Ruhezeiten, die wir verpasst haben, nachzuholen. Natürlich tut es gut, hin und wieder die Füsse hochzulegen, über das Leben nachzudenken und die schönen Dinge zu geniessen. Es ist sogar nötig, das hin und wieder zu tun, sonst verrennt man sich so leicht. Manchmal aber scheint mir, wir Mütter zwischen vierzig und sechzig seien drauf und dran, uns das, was eigentlich das Sahnehäubchen sein sollte, zum Lebensinhalt zu machen.

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Politisiert

Zufrieden? Na ja, ein weiteres Loch im Gotthard hätte es meiner Meinung nach nicht gebraucht und ich gehöre auch zu der Minderheit, die findet, mit Essen dürfe man nicht spielen, aber davon abgesehen erlebe ich heute den ersten glücklichen Abstimmungssonntag seit Jahren. Nicht nur wegen dem, was man jetzt in sämtlichen Medien im In- und Ausland lesen kann – weshalb ich es an dieser Stelle nicht zu wiederholen brauche -, sondern auch, weil „Meiner“ und ich jetzt nicht mehr die einzigen sind, die am Familientisch über Politik diskutieren. Gut, Politik war schon immer ein Thema bei uns, und die ältesten unserer Kinder erinnern sich noch lebhaft an meinen Luftsprung, als der Milliardär aus Herrliberg aus dem Bundesrat abgewählt wurde, doch bis jetzt verliefen die politischen Gespräche eher so:

Kinder: „Ist das ein Guter oder ein Böser?“

„Meiner“: „Ein Böser.“

Kinder: „Warum?“

Ich: „Weil der bei der letzen Abstimmung…“

Inzwischen aber ist Karlsson gross genug, um sich seine eigenen Gedanken zu machen, kluge Beobachtungen anzustellen und herausfordernde Fragen zu stellen. Luise kann zwar noch immer nicht ganz nachvollziehen, warum wir dem Thema so viel Beachtung schenken, aber auch sie fängt an zu begreifen, dass das alles auch etwas mit ihrem Leben zu tun hat. Beim FeuerwehrRitterRömerPiraten könnte man glauben, er verstehe von der Sache noch überhaupt nichts, fangen seine Augen doch jedes Mal, wenn im politischen Zusammenhang das Wort „Kampf“ fällt, gefährlich an zu leuchten, doch kurz darauf stellt er wieder Verständnisfragen, die es in sich haben. Man darf also gespannt sein, wie sich das in den kommenden Jahren entwickelt.

Ich hoffe einfach, „Meinem“ und mir ist es gelungen, eine gute Basis zu legen, damit sie in ein paar Jahren, wenn sie abstimmen und wählen dürfen, auch das Gleiche auf ihre Zettel schreiben wie wir. 

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Drei Mütter

Heute mal wieder eine erzwungene Kaffeepause, während Luise sich einer längeren Untersuchung unterziehen muss. Nacheinander kommen drei Mütter ins Café.

Mutter 1 mit Baby, ca. 10 Monate alt

„Das kannst du schon richtig gut. Du hast ja so viel zu erzählen. Halt dich doch mal kurz hier fest, dann gehe ich bezahlen. Willst du dir das Mützchen nicht selber anziehen? Das kannst du bestimmt schon ohne meine Hilfe.“  – Liebevoll, zugewandt, aber so viel „Hilf mir, es selbst zu tun“, dass das arme kleine Menschlein schon ganz verdattert ist.

Mutter 2 mit Tochter, ca. 2.5 Jahre alt

Rein ins Café, Bestellung aufgeben, Zeitschrift schnappen, ab und zu ein Blick aufs Kind, ansonsten Stille am Tisch, nur gelegentlich unterbrochen von einem kurzen Geplauder zwischen Mutter und Tochter. Das Kind hat ausgetrunken, die Mama nicht, also bekommt es die Jacke angezogen, wird nach draussen geschickt, damit Mama in Ruhe fertig Kaffee trinken kann, natürlich immer mit Blickkontakt durchs grosse Fenster. – Nicht kaltherzig, eher so „Du sagst mir, wenn du mich brauchst, ja?“

Mutter 3 mit Sohn, ca. 3 Jahre alt

Erst wird Söhnchens Stühlchen mit einem dicken Kissen gepolstert, dann wird bestellt, dann gibt’s einen Schleckstengel und dann wird geplaudert: „Gell, Liam, du magst Kaffeekränzchen mit der Mama. Ist das nicht schön hier? Oh, jetzt hast du aber ein grosses Stück abgebissen! Sitzt du auch richtig bequem? Ja ja, Kaffeekränzchen nur für Mama und Liam, das gefällt dir. Wenn wir fertig sind, gehen wir noch ein wenig spazieren und dann nach Hause. Aber jetzt geniessen wir erst mal unseren Kaffee.“ – Liam, Liam und nochmals Liam, bis zum Abwinken.

Dennoch wird Liams Mama die einzige sein, die dereinst beim Elterngespräch in der Schule gut ankommt. 

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Dieser Valentin…

Nein, ich mag ihn wirklich nicht, diesen Valentin. Ich finde ihn geradezu grausam. Man braucht sich nur mal anzusehen, was diejenigen, die niemanden haben, der sie beschenken möchte, an diesem Tag auf Facebook posten. Verzweifelte Ironie, hilflose Versuche, doch noch von irgendwo ein „Ich mag dich, du bist ein ganz besonderer Mensch“ zu erheischen, manchmal auch schlecht kaschierter Neid, wenn eine, die von ihrem Liebsten keinerlei Zeichen der Zuneigung erwartet hätte, doch noch überrascht worden ist und dies nun aller Welt zeigen möchte. Ein Tag, an dem sich die Einsamen noch einsamer fühlen als sonst. 

Na ja, könnte man einwenden, das ist zwar hart für jene, die alleine sind, aber für die anderen, die glücklich sind und beschenkt werden, ist es doch schön, einen sichtbaren Beweis der Liebe zu bekommen. Nichts gegen sichtbare Liebesbeweise, aber bitte nicht dann, wenn der Kalender – und der Blumenhändler – sie befiehlt, sondern dann, wenn einem das Herz übergeht vor lauter Dankbarkeit, dass man einen lieben Menschen hat, der mit einem das Leben teilt. Von mir aus darf das auch am 14. Februar sein, noch lieber aber einfach immer dann, wenn man sich seines überaus grossen Glücks bewusst wird.

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Gummitwist & Co.

Ein Bild von einem Steckspiel, Gummitwist, Fadenspiele, „Himmel und Hölle“, „Schiffe versenken“, Geduldsspiele oder sonst irgend etwas pädagogisch Wertvolles, womit wir uns als Kinder die Zeit vertrieben haben. Dazu die Aufforderung: „Drück ‚Gefällt mir‘, wenn du es noch kennst.“ Auf Facebook wimmelt es von solchen Bildern. Ganz ähnlich funktioniert es mit unseren Helden aus Kindertagen. Wir sollen mit unseren Likes aller Welt zeigen, dass wir nicht vergessen haben, wie toll sie alle waren, Michel aus Lönneberga, Pipi Langstrumpf, das Sams, TKKG und wie sie auch heissen mögen. Die Botschaft ist klar: Wir hatten damals noch eine richtige Kindheit mit allem, was dazugehört. Die heutigen Kinder hingegen werden mit dem ganzen iSchrott davon abgehalten, ein lebenswertes Leben zu leben. Erinnerungen, wie wir sie in Ehren halten, wird die Generation, die heute am Start steht, nicht mehr haben. Eine hübsche kleine Moralkeule, eingehüllt in eine dicke Watteschicht von Nostalgie.

Wer das teilt, hat das Gefühl, er wisse eben noch, wie eine Kindheit sein sollte. Beweisen tut er aber eigentlich, dass er nur noch in Erinnerungen schwelgt, den Kontakt zur real existierenden Kindern scheint er verloren zu haben. Er glaubt allen Ernstes, heute sei alles ganz anders und natürlich schlechter. Okay, ich geb’s ja zu, da sind ein paar technische Neuerungen hinzugekommen, aber wenn ich mich so umsehe in den Kinderzimmern, auf den Pausenhöfen und in den Bibliotheken, dann begegne ich all den Dingen, die uns damals schon glücklich gemacht haben. Gut, Gummitwist scheint leider tatsächlich in Vergessenheit geraten zu sein, aber die meisten Kinder in meinem Umfeld – und das sind nicht wenige – wissen sehr wohl, wie man mit kleinen Plastiksteckern ein schönes Bild steckt,  manche schaffen den Rubik’s Cube fast mit geschlossenen Augen, „Himmel und Hölle“ hüpfen sie noch mit der gleichen Leidenschaft wie eh und je und „Michel in der Suppenschüssel“ kennen sie in- und auswendig.

Vielleicht sollten Erwachsene etwas weniger oft mit verklärtem Blick auf nostalgische Bilder in ihrer Facebook-Timeline starren und sich stattdessen von einem Kind in ein Fadenspiel verwickeln lassen.

Und wenn das Fadenspiel zu Ende ist, könnten sie das Kind in die hohe Kunst des Gummitwist einführen. Ist doch wirklich eine Schande, dass das heutzutage keiner mehr spielt. 

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Verzogene Bande

Da ködert…ääähm, ich meine belohnt der Grossvorteiler meines Vertrauens seine treuen Kunden, die ihre Einkäufe nicht ennet der Grenze tätigen, mit Überraschungspaketen. Pro zwanzig Franken gibt’s ein Märkli und pro zwanzig Märkli ein Päckli. Und was tun sie, die lieben Kunden? Stänkern auf Facebook rum, wie das alles doch nicht fair sei.

Nur zehn Märkli pro Einkauf, obschon man 221 Franken und 15 Rappen hingeblättert hat!

In beiden Familienpäckchen das gleiche Spielzeug – wie langweilig!

Viel zu kurz, diese Aktion.

Man kriegt diese Sammelkarte ja niiiieeee voll!

An der Expresskasse vergessen sie immer, die Märkli abzugeben.

Die Konkurrenz ist viel grosszügiger mit Sonderaktionen.

Die Verkaufsstelle Hintertupfingen hatte die Familienpäckli einen Tag zu früh im Laden. Eine Sauerei so etwas!

Wenn der vor mit die Märkli nicht will, könnte die Verkäuferin ja grosszügig sein und sie mir geben, aber nein, die gibt mir nicht mehr, als sie unbedingt muss, die blöde Kuh.

Warum bekommt man nur etwas, wenn man bei denen einkauft? Die könnten das Zeug ja auch einfach so verschenken.

In meinem Päckli hatte es lauter Dinge, die ich nicht mag. Können die nicht besser auswählen?

Und so weiter, seitenlang. Ein elendes Geheule, Gejammer und Geschimpfe, als ob vom Inhalt dieser Pakete – die ja eigentlich nichts weiter als überdimensionierte Gratismuster sind – das nackte Überleben der Familie abhinge. Und gerade so, als hätten wir auf diesem Planeten keine anderen Sorgen.

Man könnte ja auch einfach mal nett lächeln und danke sagen. Vielleicht bekäme man dann sogar ein oder zwei Märkli mehr.

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Aber sie hat doch Fortschritte gemacht…

Nein, sie ist ganz und gar nicht zufrieden mit sich selber. Fast zwei Kilo hat sie in der vergangenen Woche zugelegt, dabei hat sie doch so darauf geachtet, was sie isst. Okay, die Smarties hätte sie vielleicht besser bleiben lassen und dann hat sie sich auch nicht so viel bewegt, wie sie eigentlich müsste. Aber sie hat halt so viel gearbeitet, da blieb nicht viel Zeit für Sport. Na ja, immerhin trägt sie jetzt nicht mehr  Kleidergrösse fünfzig. Noch ein paar Kilos runter und dann passt sie vielleicht schon bald in Grösse vierundvierzig. Aber eben, so einfach ist es leider nicht, wo sie doch letzte Woche trotz aller Disziplin wieder zugelegt hat. Sie will ja kein Klappergestell werden, aber halt einfach etwas schlanker als jetzt. Wenn es doch bloss einfacher wäre. Doch wo soll man die Zeit hernehmen, um sich zu bewegen, wenn man den ganzen Tag arbeiten muss? Und dann die Smarties… Dabei hatte sie es sogar über Weihnachten geschafft, ihr Gewicht zu halten und jetzt ist alles wieder im Eimer. 

So klagt sie eine ganze Busfahrt lang, lässt sich nicht trösten durch ihre Leidensgenossin, die noch ganz am Anfang steht, lässt sich auch nicht gut zureden, es sei doch schon eine gewaltige Leistung, von über hundert auf knapp achtzig Kilo runterzukommen. Nein, das alles zählt nicht, sie ist enttäuscht. 

Dabei hätte sie doch allen Grund, stolz auf sich zu sein, finde ich. Als ich sie vor vielen Jahren schon einmal belauscht habe im Bus, klagte sie noch, bei ihrem Schuldenberg würden Kinder nicht drinliegen, heute aber kann sie sich Weight Watchers-Treffen leisten. Und die sind weiss Gott nicht billig, wie sie mehrmals betont. 

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Resigniert?

Klar machen mich die Nachrichten aus Köln betroffen und wütend. Klar darf es nicht sein, dass Frauen als Freiwild betrachtet und behandelt werden. Klar muss man offen über die frauenfeindliche Grundhaltung der Täter reden dürfen, ohne gleich als fremdenfeindlich abgestempelt zu werden.

Wütend machen mich aber auch junge Frauen, die am Schweizer Fernsehen sagen, sexuelle Belästigungen gehörten halt einfach dazu, dagegen könne man nichts tun, man dürfe eben nicht alleine unterwegs sein, dann komme man schon irgendwie durch. Es sei zwar unangenehm, immer mal wieder begrapscht zu werden, aber frau müsse lernen, sowas zu ignorieren. Man könne ja so einem Ekel nicht einfach eine runterhauen.

Ignorieren? Sich damit abfinden? So tun, als wäre nichts dabei, wenn einer im Vorbeigehen mal schnell grapscht?

Irre ich mich, oder hat die Frauengeneration, die nach uns kommt, resigniert?

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Falsche Prioritäten?

Die Facebook-Moralapostel mit ihren bunt hinterlegten Sinnsprüchen verkünden momentan ja gerne solche Sätze wie „Kein Mensch hat keine Zeit – nur falsche Prioritäten“, irgendwie noch verwurstet mit der Aussage, wer nicht pausenlos mit seinen Freunden abhänge, sei ein mieser Kerl, der kein Interesse an seinen Mitmenschen habe. 

Nun, ich kann nicht beurteilen, wie das bei anderen Menschen läuft, aber wenn ich mein Leben so betrachte, sehe ich das ein wenig anders. Dreimal raten, was mir lieber wäre: Mit einem netten Menschen einen Kaffee trinken, oder zum hundertsten Mal die Klobürste mit Backpulver und Essig sauber machen, weil das sonst eine äusserst unappetitliche Sauerei gibt? Mit meiner Familie friedlich zu Mittag essen, oder zwischen zwölf und eins fünfmal das Telefon zu ignorieren versuchen, was aber irgendwann auch nichts mehr bringt, weil gewisse Leute äusserst hartnäckig sind, wenn sie eines meiner Familienmitglieder sprechen wollen? Eine liebe Person, die gerade eine schwere Zeit durchmacht, anrufen, oder diese elenden Formulare ausfüllen, die mir die Versicherungsgesellschaft zum sofortigen Ausfüllen ins Haus flattern lässt, weil meine mündliche Auskunft offenbar nicht reicht? Ganz spontan zum Open House einladen, oder die Familie von einem nicht verschiebbaren Pflichttermin zum nächsten zu hetzen? Mit einer Horde lieber Menschen an einem schönen Ort vier Wochen Ferien machen, oder dafür sorgen, dass Ende Monat Geld auf dem Konto ist?

Falsche Prioritäten? Manchmal vielleicht schon. Sehr oft aber auch einfach ein modernes Leben mit unzähligen kleineren und grösseren Verpflichtungen, die sich zwischen uns und unsere Mitmenschen drängen. 

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