Damit dies einfach mal klar ist

Nein, Sie müssen gar nicht erst fragen, meine Antwort steht bereits fest: Ich werde Ihr Produkt nicht testen, um danach meiner Leserschaft über meine Erfahrungen damit zu berichten. Natürlich dürfen Sie mir trotzdem ein nettes Mail schreiben, ich werde aber bei meinem Nein bleiben, auch wenn Sie mir garantieren, dass ich von Ihrem Produkt begeistert sein werde, ja, sogar dann, wenn Sie mir eine kleine Entschädigung versprechen. Mag sein, dass Sie überzeugt sind davon, dass Ihr Produkt zu den Themen meines Blogs passt. Mag sein, dass in Ihren Augen meine Leserschaft und Ihre Zielgruppe identisch sind. Mag sein, dass Sie in einer Zusammenarbeit nur Vorteile sehen. Ich sehe das anders.

Weshalb ich so stur bleibe? Nun, vielleicht muss ich Ihnen kurz erklären, weshalb ich die Bloggerei so liebe. Nämlich ganz einfach deshalb, weil ich hier selber bestimmen kann, worüber geschrieben wird. Was mich beschäftigt, mache ich zum Thema, was mich kalt lässt, lasse ich bleiben. Wie die meisten Menschen bin auch ich vielen Zwängen unterworfen – dem Stundenplan der Kinder, der Grenze unseres Einkommens, den Schwächen meines Körpers, dem Wetter, um nur einige Beispiele zu nennen – und deshalb möchte ich mir hier ein kleines Stück Narrenfreiheit erhalten, meinen ganz persönlichen Spielplatz, auf dem ich mich nach Herzenslust austoben kann.

So richtig lustig wird es auf diesem Spielplatz, wenn Spielkameraden kommen, um sich ebenfalls hier zu vergnügen. Und wer will den schon seine Spielkameraden mit Werbung belästigen? Ich bestimmt nicht, es sei denn, ich würde voller Begeisterung von einer Trouvaille erzählen, die ich irgendwo aufgestöbert habe. Aber ihnen irgendwelche Produkte aufschwatzen? Nicht mein Ding, sonst wäre ich Hausiererin geworden.

Sie verstehen also, dass ich Ihre Anfrage höflich ablehnen muss. Und falls Sie dennoch unbedingt etwas Geschriebenes von mir haben möchten, dann engagieren Sie mich als Ihre Texterin. Aber dann erscheint der Text nicht hier, sondern irgendwo sonst, wo er Ihren Zwecken dient.

Dann eben keine Predigt

Eigentlich hätte ich heute ja diesen unglaublich inspirierenden Text über die Bedeutung meines Glaubens schreiben wollen. Den ganzen Tag über hatten sich in meinem Kopf Sätze gebildet, mit denen ich mich von meinem alten, frömmlerischen Gehabe  distanziert und zu meinem weitaus alltagstauglicheren, aber viel weniger in starre Dogmen fassbaren neuen Glauben bekannt hätte. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, was ich alles in diesen Text hineingepackt hätte: Meinen Ärger über Frau Rickli, meine Sorgen darüber, dass Fremdenhass in Europa wieder salonfähig ist, meinen Frust darüber, dass so viel geredet und so wenig getan wird, meine Traurigkeit über mein eigenes Versagen und mein Fazit, dass ich das alles wohl nicht ertragen könnte, würde ich nicht glauben. 

Tja, und dann beschloss ich, zuerst einmal ein paar Büroarbeiten zu erledigen, bevor ich mich ans Niederschreiben meiner tiefschürfenden Gedanken mache. Die Lohnabrechnung der Putzfrau, zwei drei Formulare, die schon längst ausgefüllt sein müssten, den Lohn der Putzfrau vom Konto abheben. Kleinkram nur, der aber leider in den grossen Dramen des Alltags nur zu oft vergessen geht, den ich aber keinen Tag länger mit mir herumtragen will, weil er eben doch belastet. Die Formulare waren schnell erledigt, doch dann stellte ich fest, dass mir ein Dokument fehlte, das ich bei der Arbeit liegen gelassen hatte. Na gut, dann mache ich eben einen kleinen Abendspaziergang, hole das Dokument und gehe dann gleich zur Bank. Vielleicht fallen mir auf dem Weg weitere nette Sätze für meinen Text ein.

Ha, von wegen. Auf halbem Weg stelle ich fest, dass mein Büroschlüssel zu Hause geblieben ist. Umkehren will ich nicht, denn die Strassenlampen im Quartier streiken allesamt und Dunkelheit ist nicht mein Ding. „Na gut, dann hole ich eben nur das Geld. Das Dokument kann ich ja morgen nach der Arbeit mitnehmen“, brumme ich – jawohl, ich habe die schlechte Angewohnheit, mit mir selber zu reden, wenn ich alleine unterwegs bin – und mache mich auf den Weg zur Bank. Wo ich leider feststellen muss, dass auch der Geldautomat streikt und diesmal liegt es ganz bestimmt am Automaten und nicht an meinem Kontostand. Dann eben auf zur nächsten Bank, wo man mich aber nicht einlässt, weil ich die falsche Karte dabei habe. Verärgert mache ich mich auf den Heimweg, um meinen Schlüssel zu holen. Damit ich doch noch das Dokument holen gehen kann, weil ich es nicht mag, unerledigter Dinge ins Bett zu gehen, wo ich mich doch endlich dazu aufgerafft hatte, den Bürokram hinter mich zu bringen. Der Schlüssel aber ist unauffindbar, „Meiner“, den ich sogleich verdächtige, das Ding verlegt zu haben, erweist sich als unschuldig und ich muss mir eingestehen, dass ich mir alles selber eingebrockt habe. Aus Gründen, die ich schon längst nicht mehr nachvollziehen kann, habe ich nämlich heute Nachmittag den Schlüsselbund auf den Waldspaziergang mitgenommen und danach nicht mehr an seinen Platz zurückgelegt. Fragt mich bitte nicht, wie ich auf die Idee gekommen bin, dass dem Schlüsselbund ein wenig frische Waldluft guttun würde.

Da es inzwischen schon fast Mitternacht ist, beschliesse ich ziemlich verärgert, doch wieder alles auf morgen zu verschieben. Der Elan, endlich reinen Bürotisch zu machen, ist verflogen, die Lust, einen unglaublich inspirierenden Text über meinen Glauben zu schreiben ebenfalls und so bleibt mein einziger Trost, dass zumindest die Atheisten unter meinen Lesern zufrieden sind, weil sie meiner Sonntagspredigt entgangen sind. 

Blogging is like me grow the beak

Als ich mit dieser Bloggerei anfing, trug ich mich mit dem Gedanken, meine Texte jeweils auf Deutsch und auf Englisch zu veröffentlichen. Damals dachte ich noch, ich würde vielleicht ein- oder zweimal pro Woche etwas schreiben und dann wäre es ja keine Sache, die Texte kurz ins Englische zu übertragen. Ich hätte dann endlich einen Beweis erbringen können, dass mein halbes Anglistik-Studium doch nicht nur vertane Zeit gewesen war. Bald aber erkannte ich, dass bloggen süchtig macht und so waren schnell einmal so viele Texte da, dass ich vor einer schwierigen Entscheidung stand: Zweisprachig bloggen und die Familie verhungern lassen, oder die Familie weiterhin füttern und alles nur auf Deutsch veröffentlichen. Ich entschied mich für die zweite Variante. Einerseits, weil ich meine Familie liebe, andererseits aber auch, weil ich für die Version in Englisch alle meine geliebten Helvetismen hätte opfern müssen.

Seit heute nun besteht die Möglichkeit, dass beautifulvenditti doch noch zweisprachig daherkommt. Es gibt da nämlich diese nette kleine App, die mir die Übersetzungsarbeit abnimmt. Ich kann schreiben, wie mir der Schnabel gewachsen ist, kopiere den Text in die App, drücke „Öffnen“ und schon kann man das Ganze auch in Englisch lesen. Schaut her, so einfach geht das:

„Bilingual blog and let the family starve, or feed the family and everything continues to publish only in German. I chose the second option. On the one hand, because I love my family, but also on the other hand, because I would have for the English version of all my beloved Helvetismen have to sacrifice. Since this is now possible, but that comes along beautifulvenditti still bilingual. Fact, there is this nice little app, which decreases the traslation of my work. I can write how I cope with the bill, copy the text in the app, press „Open“ and you can read the whole thing in English. Look, it is that simple:“

Wirklich einfach, nicht wahr. Ich bin mir bloss nicht so sicher, ob man mir das mit dem halben Anglistik-Studium noch abnehmen würde, wenn ich meine Texte so veröffentlichen würde. Vielleicht lasse ich es doch lieber bleiben… I would not fully disclose to the ridiculous… ääähm, ich meine, ich möchte mich nicht voll und ganz der Lächerlichkeit preisgeben.  

Hamsterrad-Tag

Heute hatte ich mal wieder einen jener schrecklichen IchKannNichtsBinBlödUndHässlichUndÜberfordert-Tage. Das Schreiben meiner neuen Kolumne ein stundenlanges Ringen um Wörter, die sich gestern in meinem Kopf noch so schön zu netten Sätzen zusammengefügt hatten, jeder Blick in den Spiegel ein Ärgernis, jeder zweite Gedanke negativ. Ein Tag wie in einem Hamsterrad.

Wie gut, dass sich das Prinzchen von meiner miesen Stimmung nicht anstecken liess. Abends, als ich mich eigentlich gerne in meine Höhle zurückgezogen hätte, bat er mich, ihn zum Spiegel hochzuheben, damit wir uns gemeinsam bewundern könnten. „Muss das sein?“, dachte ich, aber ich tat trotzdem, was er von mir wünschte. Im Spiegel sah ich zwei Gesichter, das eine hübsch und pausbackig, das andere müde und verkniffen. Das Prinzchen sah offenbar etwas ganz anderes als ich. „Du bist so toll und ich bin so speziell“, sagte er vollkommen zufrieden mit sich selbst und der Frau, die ihn geboren hatte.

Ach, Prinzchen, dein Selbstbewusstsein und deinen rosaroten Blick auf deine Mama möchte ich haben.

Komma

Da ich heute noch immer leicht schreibblockiert bin – darüber schreiben hilft nicht immer – (Komma) ich noch in diesem Jahr ins Bett kommen möchte und ich ausserdem gerade festgestellt habe (Komma) dass die Kommataste streikt (Komma) weil eines der Kinder Rimuss über die Tastatur geschüttet hat (Komma) heute nur dies: Ich wünsche allen (Komma) die  – regelmässig oder nur ab und zu – hier vorbeisurfen (Komma) ein gesegnetes neues Jahr. Schön (Komma) dass ihr mir das gute Gefühl gebt (Komma) nicht alleine in diesem Chaos zu stecken. Und nein (Komma) ich verrate euch nicht (Komma) wie der Rimuss zur Computertastatur gekommen ist. Ihr könnt es euch ja ausmalen…

Schreib mal drüber

„Meiner“ hat mir heute im Brockenhaus zwei riesige Pinnwände besorgt, damit ich mit meiner Ideensammlung loslegen kann. Das neue Jahr bringt nämlich neue Aufgaben mit sich. Eine neue Kolumne, einen oder zwei neue Blogaufträge, einen Schreibauftrag für ein Geschäft und dann noch eine Handvoll eigener Ideen, die ich endlich umsetzen möchte. Damit meine Ideen für die verschiedenen Aufgaben nicht im Putzkessel ersaufen oder von den Kindern versehentlich zu Tode getrampelt werden, soll alles fein säuberlich notiert und nach Themen getrennt aufgehängt werden. Damit ich an meinem Schreibtag frisch drauflos schreiben kann, so, wie ich es mir stets erträumt hatte.

Zu dumm nur, dass ich heute nicht nur meine Pinnwände geliefert bekam, sondern auch eine gigantische Schreibblockade, gepaart mit dem altbekannten „Ich kann doch überhaupt nicht schreiben und ich werde bestimmt alle enttäuschen“-Gejammer. Zum Glück habe ich noch meinen Blog, denn wie ich schon mehrmals erlebt habe, hilft nichts so gut gegen Schreibblockaden, wie darüber zu schreiben. Mal sehen, ob es auch dieses Mal wirkt. 

 

Mehr als erträumt

Wenn unsere Kinder auf der Bühne ihr Bestes geben, dann erfüllt uns Mütter das mit Stolz, auch wenn wir das nicht gerne offen zugeben. Man möchte ja nicht zu den Müttern gezählt werden, die überall Talente und Erfolge ihrer Sprösslinge zur Schau stellen müssen. Solche Mütter sind nicht nur peinlich, sie stürzen auch andere Eltern in tiefe Zweifel. Warum kann mein Kind nicht, was das andere, das offenbar ein Genie ist, mit Leichtigkeit schafft? Haben wir etwas falsch gemacht? Müssten wir sie mehr fördern? Wenn ich also heute von einer für mich ganz besonderen Sternstunde erzähle, dann nur deshalb, weil es einer der schönsten Momente meines Mutterseins war und nicht, weil ich sagen will „Schaut mal her wie grossartig wir doch sind…“.

Es ist nämlich so, dass heute gleich fünf meiner Kinder einen grossen Auftritt hatten. Karlsson mit seiner Geige und als Opa im Theaterstück, Luise als eine der Hauptrollen im Katzenkostüm, der FeuerwehrRitterRömerPirat als Feuerwehrmann, der Zoowärter zum ersten Mal überhaupt als Teil einer fröhlich singenden Kindergruppe und schliesslich – der Grund für all diese Auftritte – „Leone & Belladonna“ als Theaterstück.

Als ich vor ein paar Jahren als überforderte Mutter von drei Vorschulkindern im Morgengrauen am Computer sass, um die Geschichte der beiden Katzen für eben diese drei Vorschulkinder zu schreiben, hätte ich mir das nie und nimmer träumen lassen. Ein ganzer Trupp begeisterter Kinder – darunter vier eigene – die auf der Bühne umsetzen, was in meinem Kopf entstanden ist, nein, damit hätte ich nie gerechnet und so verwundert es wohl nicht, dass mir am Ende fast die Tränen der Rührung kamen. Es ist nicht Stolz im Sinne von „Hach, bin ich nicht toll?“ sondern einfach Freude, dass da etwas herangewachsen ist, worauf ich sehr wenig Einfluss hatte, was aber dennoch nur werden konnte, weil ich einmal etwas angefangen habe. Das gilt für die Kinder und für die Geschichte, die ja auch irgendwie mein Kind ist.

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Eine vage Ahnung von Rechtschreibung

Ich behaupte ja nicht, dass ich Grammatik und Rechtschreibung meiner Muttersprache zu jeder Zeit und in jedem Fall fehlerfrei beherrsche. Auch wenn ich mich um Korrektheit bemühe, Fehler kommen vor, vor allem, wenn ich in der Eile schreibe. Aber man sollte meinen, eine Deutsche Bestsellerautorin – der Name sei hier nicht erwähnt, das Buch ist nicht der Rede wert – und der Auslandredaktor einer ziemlich grossen Zeitung sollten mehr als eine vage Ahnung davon haben, wie man das Wort „vage“ schreibt. Nämlich „vage“ und nicht „wage“. Ja, ich weiß, im Eifer des Schreibens tippt man so leicht daneben und die Korrektorate sind seit der Einführung des Rechtschreibeprogramms unterbesetzt, aber zumindest bei der Autorin bezweifle ich, dass das W ein Tippfehler war. Die Dame lässt ihre Hauptdarstellerin nämlich auch ungeniert Blumenkästen „hochhiefen“ und dies, obschon sogar mein iPad weiss, dass es „hieven“ und nicht „hiefen“ heisst.

Keiner ist perfekt, ich weiss, aber wer vom Schreiben lebt, sollte zumindest eine vage Ahnung von Rechtschreibung haben.

Konservenbloggen

Hier sitzen wir also, irgendwo, weitab von allem, was uns gewöhnlich umgibt, weitab von Arbeit, Wohnung aufräumen, Stundenplänen, Mailbox checken und Internetverbindung. Und dennoch erscheint hier ein neuer Text. Warum bloss? Bin ich jetzt schon so übergeschnappt, dass ich glaube, die Welt könne nicht mehr ohne meinen Senf, den ich dazu gebe? Oh nein, ganz so schlimm steht es noch nicht mit mir. Oder vielleicht doch. Klar, ich weiss, die Welt kann ohne mein Geblogge, aber kann ich  noch ohne? Ich fürchte nicht. Da mag ich mir noch so sehr vornehmen, mal eine Woche aufs Schreiben zu verzichten, aber so, wie ich mich kenne, werde ich spätestens nach vierundzwanzig Stunden nervös und nach achtundvierzig mache ich mich auf, mitten im Nirgendwo einen Wireless-Hotspot ausfindig zu machen. Damit dies nicht geschieht, habe ich mal wieder vorgebloggt. Um meinen eigenen Schreibzwang zu überlisten. „Du hast ja heute bereits gebloggt“, werde ich zu mir sagen können, wenn die Finger zittrig werden und der Kopf anfängt, Sätze zu bauen. Und dann werde ich mich genüsslich zurücklehnen, das Buch, das ich zu Ende lesen möchte, zur Hand nehmen und das süsse Nichtstun geniessen. 

Nun ja, so ganz traue ich mir dennoch nicht. Das iPad kommt mit. Für den Fall, dass es doch nicht ohne schreiben geht. Und für den Fall, dass ich doch irgendwo per Zufall auf einen Hotspot treffe. Wobei ich mir da in Italien nicht allzu grosse Hoffnungen mache…

Nahezu perfekt

Wider Erwarten ist der Plan mit der Freizeit nun doch aufgegangen. Mit etwas Verspätung zwar, weil der Zoowärter, der FeuerwehrRitterRömerPirat und Luise zur Märchenstunde gebracht werden wollten, aber besser spät als gar nicht. Die ewig gleiche Frage, was von all dem Aufgeschobenen man in die kurzen Momente der Freizeit quetschen soll, war diesmal schnell beantwortet: Charles Lewinskys „Gerron“ und Eiskaffee. Was denn sonst, wo ich doch am Wochenende so viele lobende Worte über das Buch gelesen hatte? Spätestens auf der dritten Seite war klar, dass die Literaturkritiker für einmal nicht übertrieben haben. Gewöhnlich liest man ja viele schöne Worte über ein Buch und dann, wenn man es endlich erwartungsfroh in den Händen hält, fragt man sich, wer nun der Banause ist, der Literaturkritiker, der solchen Mist hochgejubelt hat, oder die Lesende, die unfähig ist, die grosse Kunst zu erkennen.

Für die perfekte Lektüre war also gesorgt, somit blieb nur noch die Suche nach dem perfektem Café, wo ich mich ungestört in die Sätze vertiefen konnte, die so gekonnt in eine Vergangenheit führen, von der man sich wünscht, dass sie sich nie auch nur annähernd wiederholen möge. Das erste Café war dazu gänzlich ungeeignet, zu laut dröhnte es von der Baustelle, die in der Nähe lag. Auf dem Weg zu Café Nummer zwei dann eine Begegnung mit einer Bekannten aus Kindheitstagen. Wir kennen uns kaum, unsere Wege kreuzen sich nur selten und doch stehen wir jedes Mal, wenn wir uns begegnen, nach kurzem Small Talk mittendrin im Thema, das uns beide beschäftigt: Glauben, auch wenn einen die „Rechtgläubigen“ zuweilen beinahe zur Verzweiflung bringen; in all den Dogmen den eigenen Weg finden, ohne dabei zu verlieren, was einem so kostbar ist. Wie wir so redeten, verspürte ich auf einmal diesen inneren Drang, endlich weiter zu schreiben an dem Text, mit dem ich in Worte zu fassen versuche, was mich seit Jahren nicht loslässt: Welche angeblich unumstössliche Wahrheit  gehört endlich umgestossen, hinter welchem Tabu verbirgt sich eine Kostbarkeit, die schon lange darauf wartet, entdeckt zu werden? Wie sich von Unnützem trennen, ohne dabei das Heilige zu zerstören? Am liebsten wäre ich auf der Stelle nach Hause gefahren, um endlich weiter zu arbeiten an dem, was noch immer unvollendet herumliegt.

Ich blieb in der Stadt, fand ein besseres Café und las weiter. Woher hätte ich denn den Mut nehmen sollen, mich an den Schreibtisch zu setzen, wo ich doch eben erst 540 Seiten voller nahezu perfekter Sätze erworben hatte?