Wortgefecht

Früher oder später kommt beim Schreiben der Moment, in dem man sein eigenes Geschriebenes nicht mehr ausstehen kann. Stunden und Tage hat man um Worte gerungen, hat Sätze geformt, umgeformt und verworfen, man hat darum gekämpft, genau das zu Papier zu bringen, was in Gedanken gewachsen ist. Man denkt, man habe sein Bestes gegeben, doch wenn man liest, was entstanden ist, erscheint alles nur noch banal, farblos, austauschbar und dann folgt der Katzenjammer: „Ich kann nicht schreiben, bin vollkommen unbegabt. Am liebsten würde ich den ganzen Text vernichten.“

Für Aussenstehende erscheint dieses Gejammer oft als ein Fischen nach Komplimenten, aber das ist es nicht; es ist die echte Verzweiflung über das eigene Unvermögen, die Worte zu finden, die nicht nur die Leser, sondern auch den Schreibenden überzeugen. Es ist die tiefe Abscheu vor den Worten, mit denen man inzwischen so viel gearbeitet hat, dass sie abgedroschen wirken,  die ohnmächtige Gewissheit, dass es den perfekten Satz nie geben wird, weil man ihn stets anders – besser – formulieren könnte.

Es hilft nicht, wenn wohlmeinende Freunde versichern, das Geschriebene komme recht ansprechend daher, in diesen Momenten des Zweifels sieht der Schreibende nur, was alles sein sollte und nicht ist. Da hilft nur eines: Den Text zur Seite legen, Distanz gewinnen zu dem, was allzu vertraut geworden ist. Mit etwas Glück wird man einige Zeit später wieder lieben können, was man in Worte gefasst hat. Und wenn die Liebe zum Geschriebenen nicht zurückkehrt? Dann ist wohl Kahlschlag angesagt, aber wir wollen mal nicht so pessimistisch sein.

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Geständnisse

Natürlich habe ich eine Supercard, aber das habe ich dem Mann an der Kasse verschwiegen, weil ich zu faul war, die Karte aus dem Portemonnaie zu kramen.

Mein Mitleid für „Meinen“ hält sich in Grenzen. Hätte er auf mich gehört, dann wäre er heute nicht mit den Kindern durch die Läden gehetzt, um Frühlingsjacken zu kaufen. Hätte er das Zeug online bestellt, wäre er jetzt nicht müde und gereizt.

Drei der unzähligen Erdsäcke, die wir ins Hochbeet geschüttet haben, hatten kein Öko-Label drauf.

Heute habe ich in der Zeitung nur die Klatsch- und Tratsch-Spalte gelesen.

Ich finde Zoowärters Jacke, die er sich offenbar mit viel Geschrei und Tränen ertrotzt hat, potthässlich.

Als Karlsson heute der Kinderärztin Red und Antwort stand, wäre ich beinahe auf dem Stuhl eingeschlafen.

Eigentlich sind mir meine neuen Gummistiefel ein wenig zu eng, aber weil sie so schön sind, tue ich so, als würde es mich nicht im Geringsten stören.

Nachdem ich im Bus kein Billett lösen konnte, habe ich dies an der Endstation nachgeholt, weil ich befürchtete, der Chauffeur, dem ich mein Problem während der Fahrt gestanden hatte, könnte mich heimlich beobachten.

Trotz aller meiner Beteuerungen, es nicht mehr zu tun, habe ich mich heute heimlich mit der Schreibblockade getroffen.

Ich habe mir heute überhaupt keine Mühe gegeben, das Mädchen zu verteidigen, das Luise so sehr vor den Kopf gestossen hat. Im Gegenteil, ich habe meiner Tochter sogar beim Lästern geholfen.

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Hürdenlauf

Heute also trotz Starschwierigkeiten – Computer, der nicht laufen wollte, Überreste eines Migräneanfalls, Luise, die jetzt gleich, sofort einen neuen Bikini haben wollte und mir vorwarf, ich würde mich nie, aber auch gar nie um sie kümmern – alle Kapitel im Entwurf abgeschlossen, das Vorwort ebenfalls und dann noch zwei Extratexte, falls dieser elende innere Perfektionist mir alles, was ich der Muse unter harten Kämpfen abgerungen habe, wieder durchstreicht. Danach schnell alle Texte verdrängt, weil momentan nicht einer meinem überkritischen Blick standhalten könnte. Jetzt das hin und her Schwanken zwischen dem Hochgefühl, eine erste Hürde geschafft zu haben und der Überzeugung, dass daraus nie und nimmer das werden kann, was ich mir eigentlich vorstelle.

Ich weiss, man sieht es mir nicht an, wenn ich nachdenkend auf dem Bett liege und um jedes einzelne Wort ringe, aber diese Schreiberei verlangt mir so ziemlich alles ab, was ich momentan zu bieten habe. 

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Kampf mit dem inneren Perfektionisten

Nach einem Tag voller geschriebener Wörter heute nur dies: Der Grossteil von Manuskript Nummer 1 ist im Wartezimmer beim Arzt, im Zug, in Cafés und beim Warten am Bahnhof im Entwurf fast fertig geworden. Noch vier Kurzkapitel, das Vorwort und dann wird überarbeitet, gestrichen, umformuliert und ergänzt. Jetzt muss ich nur noch irgendwie meinen inneren Perfektionisten um die Ecke bringen, denn wenn ich den Kerl nicht bald zum Schweigen bringe, landet alles, was ich bis jetzt geschrieben habe, im Papierkorb. 

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Zweisam

Man kann es in jedem Babyratgeber nachlesen: Kommt Nachwuchs, wird es schwieriger, Zeit zu zweit zu finden. Wer aber sagt dir, dass es später, wenn die Kinder grösser sind, eher noch etwas schwieriger wird? Hier ein paar Erschwernisse, vor denen kaum einer warnt und die der Beziehung ganz schön zusetzen können:

Hausaufgaben: In der Theorie werden sie erledigt, kaum hat das Kind einen Zvieri im Bauch. In der Praxis sitzt das Kind an gewissen Tagen durchaus bis neun Uhr abends hinter den Büchern – mal, weil auf dem Tagesprogramm noch andere Dinge standen, mal weil der Lehrer einen ganzen Berg Hausaufgaben aufgegeben hat, mal weil das Kind die Sache zu lange vor sich hergeschoben hat. Und nun versuch mal, Feierabend zu machen, solange nicht die allerletzte Aufgabe gelöst ist…

Sorgen: Grosse Kinder verdrängen ihre Alltagssorgen oft erfolgreich, solange der Tag noch in vollem Gang ist. Abends aber, wenn es ruhiger wird, sind die Sorgen wieder präsent und dann muss geredet werden. Weil du so dankbar bist, dass dein Teenager mit dir reden will, wirst du ihm das Gespräch ganz bestimmt nicht verweigern.

Müdigkeit: Du glaubst doch nicht etwa, nach der Babyphase lasse sich das wieder ins Lot bringen? Klar, irgendwann werden die durchwachten Nächte weniger und die körperliche Anstrengung lässt nach. Die Verantwortung für die Kinder aber bleibt, lastet vielleicht sogar schwerer als früher auf deinen Schultern, der Job fordert dich voll und ganz, früher oder später lässt die Gesundheit von Eltern und Schwiegereltern nach und du wirst voll gefordert. Weil du dich mit der Geburt deiner Kinder daran gewöhnt hast, deine eigenen Bedürfnisse in den Hintergrund zu stellen, wirst du damit vermutlich nicht ausgerechnet in dieser Phase aufhören. Weil du aber in der Zwischenzeit nicht jünger geworden bist, zehrt das Ganze an deinen Kräften und so geschieht es schnell, dass man den Abend dösend vor dem Fernseher verbringt, anstatt in trauter Zweisamkeit.

Babysitter: Gar nicht so einfach, für grössere Kinder einen Babysitter zu finden und zwar darum, weil die Kinder partout nicht einsehen wollen, weshalb ihr ihnen noch keinen sturmfreien Abend gönnen wollt.

Volles Programm: Früher warst vielleicht du der Chef, aber heute bestimmen Sportvereine, Jugendgruppen, Freunde und Freizeitveranstaltungen das Programm. So kommt es, dass du am Samstagabend um halb elf den Chauffeur machst, anstatt mit „Deinem“ bei Kerzenschein und einer guten Tasse Tee den Abend zu geniessen.

Will ich damit sagen, das Familienleben sei der Tod der Beziehung? Nein,auf gar keinen Fall, ich bin da ganz optimistisch. Aber es bleibt wohl eine Herausforderung, Zeiten zu finden, in denen man nur füreinander da ist. Vielleicht muss man in der Gestaltung noch ein wenig kreativer werden als man es als Eltern ohnehin schon sein muss, weil der Abend nicht mehr automatisch der Partnerschaft gehört. Dafür vielleicht der Samstagnachmittag, eine Mittagspause oder sonst ein Tag, an dem ausnahmsweise mal alle gleichzeitig Programm haben.

Na ja, dann sollte man natürlich noch schlau genug sein, diese neuen Gelegenheiten zu erkennen, aber da haben zumindest „Meiner“ und ich noch einiges zu lernen.

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Nie, ausser montags

Im Grunde genommen habe ich mir die Sache mit dem Selbstmitleid abgewöhnt. Verschiedene Umstände in den vergangenen Monaten haben mich erkennen lassen, dass ich schlicht keine Berechtigung dazu habe. Da gibt es einerseits zu viel Gutes in meinem Leben, zu viele offene Türen, zu viel Überfluss, andererseits zu viele Menschen, die von alldem, was mein Leben bereichert, nur träumen können. Klar, auch ich beisse mir an gewissen Dingen fast die Zähne aus, die finsteren Täler des Lebens sind mir nicht vollkommen fremd, doch im Grossen und Ganzen kann ich nur dankbar sein und darum steht es mir einfach nicht zu, mich selbst zu bemitleiden.

Nie, ausser montags. Denn seitdem ich vor vier Monaten den Montag zu meinem heiligen Schreibtag erklärt habe, alles in die Wege geleitet habe, um die Kinder gut betreut zu wissen und dafür auch Geld bezahle, hat es nicht ein einziges Mal geklappt mit dem ungestörten Schwimmen im Schreibfluss. Anfangs war ich vielleicht noch selber Schuld, denn zu leicht liess ich mich ablenken durch Anrufe, angeblich dringende Mails und andere Kleinigkeiten. Seitdem sich aber die Tür fürs Schreiben und Veröffentlichen weit geöffnet hat, ist der Montag zu dem Tag geworden, dem ich die restlichen sechs Tage der Woche entgegenfiebere. Okay, ich schreibe natürlich nicht nur montags, aber dieser eine Tag, der mir Raum lässt, voll und ganz in die Welt der Worte einzutauchen, ist einzigartig.

Oder wäre einzigartig, wenn denn nicht dauernd irgend etwas dazwischen käme. Ich gehe hier nicht in die Details, denn darüber geklagt habe ich bereits ausgiebig in diversen Posts. Reden wir also nur von heute Morgen. Da hatte ich geglaubt, endlich die todsichere Methode gefunden zu haben, um meinen ungestörten Schreibmontag zu bekommen. Die Idee stammt zwar nicht von mir, ist aber dennoch grandios: In den Zug sitzen, eine möglichst weite Strecke ohne Umsteigen fahren, schreiben, die Landschaft betrachten, nachdenken, wieder schreiben, am Zielort ein kurzer, inspirierender Aufenthalt und wieder schreibend nach Hause fahren. „Das ist es“, jubelte ich, als man mich auf diesen Gedanken brachte und so plante ich für heute eine lange Zugfahrt ohne Umsteigen ins Tessin. Sieben Stunden ungestörte Schreibzeit und das ohne Fluchtmöglichkeit. Einfach genial.

Tja, und dann entschied sich das Prinzchen heute Morgen um sieben dazu, der SVP beizutreten. „Ich will nicht in die Krippe!“, brüllte er, „Ich will bei dir bleiben, ich will nicht, dass du weggehst!“ Alles Reden, Hätscheln, Drohen, Trösten und Bestechen half nichts, das Prinzchen tat weiterhin so, als sei die – gewöhnlich über alles geliebte – Krippe der schlimmste Ort auf diesem Planeten. Nach zwei Stunden heulen und zetern sah er aus wie eines der Staatskinder aus dem SVP-Extrablatt und ich wohl so gar nicht wie die kaltherzige Karrierefrau, die ihr Kind ins Kindergefängnis steckt, von der die SVP immer schwadroniert, sondern viel eher wie eine verzweifelte, überforderte Hippie-Tante, die ganz dringend einen Termin beim Guru braucht. Irgendwie schaffte ich es, meinen renitenten Sohn in der Krippe abzugeben, musste mich aber damit abfinden, dass heute nichts aus schreiben im Zug wird. Ich muss nämlich in Reichweite bleiben, falls das Prinzchen auch den Betreuerinnen die Ohren voll heult und früher abgeholt werden muss.

Da bleibt mir doch einfach nichts anderes übrig, als ein kurzes Bad im Selbstmitleid, ehe ich mich daran mache, in den Räumen, denen ich heute hatte entfliehen wollen, die Inspiration zusammenzukratzen, die sich irgendwo, zwischen schmutzigem Frühstücksgeschirr, vergessenen Schulaufgaben der Kinder und halbfertigen Strickarbeiten verborgen hat.

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Blockadepolitik

Hier sitzen wir nun also in meinem Büro, die Schreibblockade und ich, unter scharfer Beobachtung von drei nervösen Wachteln und zwei aufgedrehten Nymphensittichen namens Boris und Doris. Im Terminkalender hatte ich mir für heute ein Treffen mit der Muse eingetragen, aber stattdessen wartete einmal mehr die griesgrämige alte Schreibblockade auf mich, als ich endlich den Mut aufbrachte, die Bürotür zu öffnen. Ich muss geahnt haben, dass sie hier sein würde, darum habe ich vorhin wohl so lange gezögert, als „Meiner“ mich drängte, das dreckige Frühstücksgeschirr endlich hinter mir zu lassen und mich der Schreiberei zu widmen. Tja, und so sitzen wir uns einmal mehr gegenüber, starren einander feindselig an und werfen einander gehässige Vorwürfe an den Kopf:

Ich: „Du schon wieder! Ich hab‘ für heute doch die Muse bestellt.“

Schreibblockade: „Die ist leider verhindert und hat stattdessen mich geschickt. Du machst dir ja keine Vorstellung, was die Muse an so einem kalten Samstag alles zu tun hat. Die Kälte treibt die Leute in die Schreibstuben und es gibt nun mal begabtere Menschen als dich, die auf der Warteliste der Muse weiter oben stehen.“

Ich: „Klar gibt es begabtere, aber immerhin bietet man auch mir wieder die Gelegenheit, etwas zu veröffentlichen und die Ideen dazu habe ich auch schon glasklar in meinem Kopf. Eine kurze Unterredung mit der Muse würde ausreichen, um die Schleusen zu öffnen, damit an einem Schreibtag mehr als nur Kurzkapitel zustande kommen.“

Schreibblockade: „Du glaubst doch nicht im Ernst, es würde mehr drin liegen als ein paar lausige Blogeinträge. Ach ja, dann hast du noch diese Korrektur fertigzustellen. Aber danach kannst du dein Büro ganz getrost wieder den Gefiederten überlassen. Wann erkennst du endlich, dass du nicht mehr drauf hast?“

Ich: „Man hat mich immerhin angefragt…“

Schreibblockade: „Hat man, ja, aber ganz bestimmt nur aus Mitleid, weil die arme Irre in den vergangenen Monaten etwas gar viele Tiefschläge hat einstecken müssen.“

Ich: „Vielleicht hast du Recht… Meinst du, ich sollte die Sache aufgeben?“

Schreibblockade: „Das solltest du.“

Ich: „Aber ich habe zugesagt. Und ich platze beinahe vor Freude und Ideen. Diese Geschichte könnte wirklich ganz witzig werden. Sie wird demnächst aus mir herausbrechen, das spüre ich. Wenn du nur endlich den Weg freigeben würdest…“

Schreibblockade: „Darauf kannst du lange warten.“

Ich: „Ach komm doch, hab dich nicht so. Was hast du eigentlich gegen mich?“

Schreibblockade: „Nichts. Solange du am Herd stehst, deinen Kindern Bücher erzählst und den Boden fegst finde ich dich ganz okay. Du kannst von mir aus auch bloggen, Kolumnen schreiben und kleinere Schreibaufträge entgegennehmen. Ich stelle mich nicht in deinen Weg…“

Ich: „Von wegen! Seit Tagen schon hinderst du mich daran, in diesen Schreibfluss zu kommen…“

Schreibblockade: „Ist ja auch viel zu kalt zum Schwimmen.“

Ich: „Haha, sehr witzig. Du weisst genau, wovon ich rede.“

Schreibblockade: „Nein, keine Ahnung. Der Schreibfluss gehört ganz der Muse und die ist nun mal nicht da, also reden wir über die Dinge, von denen ich etwas verstehe. Wie lautet noch mal dein erster Satz?“

Ich: „Du glaubst doch nicht, dass ich den hier veröffentliche? Der kann sich noch tausendmal ändern.“

Schreibblockade: „Das sollte er sich auch. So, wie er jetzt dasteht, werden die Leser das Buch in die nächste Ecke schmeissen und nie wieder zur Hand nehmen.“

Ich: „Herzlichen Dank für deine ermutigenden Worte.“

Schreibblockade: „Kommt wirklich von Herzen, jederzeit gerne wieder.“

Ich: „Danke, ich bin bedient. Du darfst jetzt gehen…“

Schreibblockade: „Aber nicht doch, ich habe mir den ganzen Tag für dich freigehalten. Einer muss sich ja um dich kümmern, wo die Muse doch schon keine Zeit für dich hat. Reichst du mir mal den Beststeller, der dort in deinem Regal steht. Ich fang mal an zu lesen, damit ich dir sagen kann, was du alles falsch gemacht hast, wenn du dann endlich ein paar Sätze produziert hast.“

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Atempause

Im ersten Moment dachte ich, es sei eine gute Idee, nach dem ganzen Stress der vergangenen Monate dem Rat der Ärztin zu folgen und eine Auszeit im „Ländli“ zu nehmen. Erstaunlicherweise war es kein Problem, Unterstützung zu finden, so dass „Meiner“ den Laden während meiner Abwesenheit nicht alleine schmeissen muss. Und weil ich Streberin für das Fest bereits alles vorbereitet habe, ist es auch nicht weiter schlimm, dass ich mich ausgerechnet in der Woche vor Weihnachten aus dem Staub gemacht habe.

Je näher aber der Tag der Abreise rückte, ums grösser wurden die Bedenken. Bekommt „Meiner“ wirklich genug Entlastung? Ist es okay, wenn er seine Erholungstage erst nach Weihnachten hat? Werden die Kinder nicht furchtbar traurig sein? Wie werde ich mit mir selber klarkommen, so ganz alleine in meinem Einzelzimmerchen? Die Versuchung war gross, die ganze Sache abzublasen, doch weil ich es meiner Familie schuldig bin, endlich wieder richtig auf die Beine zu kommen, habe ich am Sonntag doch den Zug nach Oberaegeri bestiegen.

Kaum angekommen, wusste ich, dass ich das Richtige getan hatte. Zwar ist auch hier nicht alles perfekt – auf die fremdenfeindlichen Äusserungen meiner Tischnachbarn könnte ich gut und gerne verzichten -, aber nach den Turbulenzen der vergangenen Monate beginne ich endlich wieder klar zu sehen, was in meinem Leben wirklich zählt, wo ich mich einbringen will und wovon ich in Zukunft lieber die Finger lassen will. Und das Beste ist: Es schreibt wieder in meinen Kopf, beim ersten Anblick des Aegerisees begannen die über lange Zeit angestauten Ideen wieder zu fliessen wie zu meinen besten Zeiten.

Jetzt müsste es mir nur noch gelingen, mich zu erholen, aber dazu habe ich ja noch bis Sonntag Zeit.

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Auf Wiederlesen

Falls hier in den kommenden Tagen einfach kein neuer Post auftauchen will,  dann ist dies nicht unbedingt als Beweis zu werten,  dass ich ein hoffnungsloser Fall bin. Es könnte zwar durchaus sein,  dass ich nichts von mir hören lasse,  weil ich irgendwo im hintersten Winkel Nordschwedens gelandet bin beim Versuch,  ins Piemont zu fahren,  aber die Wahrscheinlichkeit ist sehr gross,  dass mein tagelanges Schweigen damit zusammenhängt,  dass wir im hintersten Winkel des Piemonts keinen Internetanschluss haben. So zumindest war es letztes Jahr und ich nehme nicht an,  dass sich in Italien in den vergangenen Monaten etwas grundlegend verändert hat.

Ach ja,  diesmal gibt’s auch keine Blog-Konserven.  Bei der ganzen Einkocherei in der Küche blieb einfach keine Zeit mehr,  die herumfliegenden Gedanken für Offline-Zeiten haltbar zu machen. Wir lesen uns am Samstag wieder,  falls ich nicht doch in Nordschweden lande…

(Schein)schwanger

„Hach, wäre es nicht wundervoll, mal wieder schwanger zu sein“, seufzte ich neulich, als ich ziemlich trübsinnig vor mich hinstarrte und verzweifelt nach etwas suchte, auf das ich mich freuen könnte. „Wie schön wäre es doch, endlich wieder auf etwas hinfiebern zu können, etwas Grossartiges vor sich zu haben, etwas mit Händen und Füssen zustande zubringen. Aber eine Schwangerschaft wird wohl kaum drinliegen, also mache ich in der Zwischenzeit ein paar Getreideriegel“, sagte ich zu mir selbst und fing an, Haferflocken, getrocknete Feigen und Gewürze zu mischen. Wie ich so am Herd stand und gedankenverloren in der Schüssel rührte, spürte ich auf einmal dieses altbekannte Flattern im Bauch. Irrte ich mich, oder kam da etwas in Bewegung?

„Grundgütiger, soll die jetzt wirklich noch ein Kind bekommen? Wo sie doch die fünf, die sie hat, nicht richtig erziehen kann“, mögt ihr jetzt sagen. Aber ich kann euch beruhigen, es ist kein Kind, das da heranwächst. Nein, es ist nur eine Idee, die allmählich Gestalt annimmt. Noch ist sie winzig klein und es lässt sich nicht sagen, ob sie die Hektik meines Alltags übersteht, oder ob sie sich wieder verflüchtigt, bevor sie sich richtig hat entwickeln können. Ob sie je das Licht der Welt erblicken wird, steht noch in den Sternen, ob ich fähig dazu bin, ihr das Laufen beizubringen, ist fraglich.

Vielleicht handelt es sich ja auch nur um eine Scheinschwangerschaft, aber immerhin gibt die Idee mir das gute Gefühl, dass da neben den ausgetretenen Pfaden noch neues Leben möglich ist.