Flussufer

Wie viele Stunden wir wohl dort verbracht haben, die nackten Füsse im Wasser, die Velos am Waldrand parkiert, im Korb ein Picknick? Unzählige müssen es gewesen sein. Wir haben über alles geredet, was uns damals so durch die Köpfe schwirrte. Über die Frage, ob sich Bio lohnt, oder ob alles nur Geldmacherei sei. Über seine Mamma, die immer wieder neue Wege fand, uns im Wege zu stehen. Über mein letztes Kuchendesaster, bei dem der Teig durch die Küche geflogen war. Über die Vorzüge von Tee gegenüber Kaffee. Über gute und schlechte Noten. Über die Frage, was aus uns mal werden sollte, beruflich vor allem, aber auch privat. Über Gustav Klimt, unsere Lehrer, Bob Marley, Christoph Blocher, meine Neffen und Nichten… Und darüber, dass wir eines Tages einen Sohn namens Karlsson haben wollten. 

Dieser Sohn namens Karlsson postet inzwischen auf Facebook schöne Bilder von genau der Stelle, wo wir jeweils unsere Füsse im Wasser haben baumeln lassen. Es sieht noch genau so aus wie damals, in der Abendsonne erscheint noch immer alles so lieblich. Mein Gefühl sagt mir, es sei erst gestern gewesen, als „Meiner“ und ich noch blutjung und vollkommen naiv unsere schier endlose freie Zeit miteinander am Flussufer verbrachten. Dann aber fange ich an zu rechnen und mir dämmert, dass Karlsson in drei Jahren so alt sein wird wie wir waren, als unsere grösste Sorge war, ob unsere Mütter uns eines Tages einen gemeinsamen Interrail-Trip erlauben würden. 

Es waren schöne Zeiten, aber ich wünsche mir dennoch nicht, mit Karlsson tauschen zu können. So, wie es heute ist, ist es auch gut. Ich hoffe einfach, dass der Karlsson, von dem wir am Flussufer geträumt haben, auch solche Erinnerungen sammeln darf, ehe ihm das Erwachsenenleben die Musse raubt. 

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Ehefrauentest

Man kennt sie ja, die „Persönlichkeitstests“, die auf Facebook ihre Runden machen. „Welche Blume bist du?“, „Welche Farbe passt zu dir?“, „Welche Märchenfigur ist dir ähnlich?“ und solchen Kram. Manchmal, wenn ich die Sekunden zwischen „Mama, hilfst du mir mal bei diesen Rechnungen?“ und „Guten Tag, Frau Venditti. Ist „Ihrer“ vielleicht zu Hause?“ überbrücken muss, klicke ich mich durch einen dieser dämlichen Tests, weil ich dämliche Tests und noch dämlichere Resultate schon immer gemocht habe. Heute landete ich bei „Bist du eine gute Ehefrau?“ Im Folgenden die sieben Fragen und die Antworten, die man hätte geben müssen, um zur Ehefrau des Jahrhunderts gekürt zu werden:

1 Frage: „Wie gern gehst du Hausarbeit nach?“

Hausarbeit ist das Grösste in meinem Leben. „Meiner“ hat nämlich gar keine Frau gesucht, sondern eine Haushälterin. Ich habe als Erste auf das Inserat geantwortet und weil ich seine Unterwäsche stets so schön gebügelt habe, hat er sich meiner erbarmt und mich geheiratet.

2. Frage: „Wie sieht es denn mit Kindern aus?“

Natürlich hat er auch noch meine Fruchtbarkeit testen lassen, ehe er mir einen Heiratsantrag gemacht hat. Hätte ich ihm keine Söhne geboren, hätte er mich verstossen. 

3. Frage: „Was ist für dich die Erfüllung deines Lebens?“ (Als Antwort stehen zur Auswahl: Kind, Job oder perfekte Work-Life-Balance.)

Seitdem er mich geheiratet hat, bin ich wunschlos glücklich. 

4. Frage: „Nach einem anstrengendem (sic!) Arbeitstag kommst du nach Hause, keiner hat bislang gekocht. Jeder hat Hunger. Was tust du?“

In meiner Familie kommt diese Situation nie vor, denn mein Lebenssinn besteht darin, die Meinen stets mit reichlich gesunder Kost zu versorgen. 

5. Frage: „Du bist im Edeka einkaufen. Wie gehst du dabei vor?“

Als ich „Meinem“ mal erzählte, wie ich einkaufe, hatte er danach tagelang Zweifel, ob er mich wirklich heiraten will. Nachdem ich ihm versprochen habe, mein Einkaufsverhalten zu ändern, hat er mir dann doch eine Chance gegeben. 

6. Frage: „Wähle:

  • Grosses, freistehendes Einfamilienhaus in ruhiger Wohnsiedlung
  • Schickes Loft mitten in der Stadt
  • Schnuckeliges Reihenhaus am Stadtrand“

Wo auch immer er zu leben wünscht, werde ich ihm ein wohliges Heim bereiten, in dem er sich von dem harten Männerleben da draussen erholen kann. 

7. Frage: „Dein Mann bittet dich, ihn bei einem wichtigen Geschäftsdinner zu begleiten. Eigentlich hast du aber keine Lust und müsstest viel dringendere Dinge erledigen. Was tust du?“

Sein Wunsch ist mir Befehl, aber ich muss ihn erst um Geld bitten, damit ich mir etwas Passendes zum Anziehen kaufen kann. Schliesslich will ich ihm keine Schande machen. Am Abend selber werde ich nicht von seiner Seite weichen und pausenlos bewundernd zu ihm aufblicken. 

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Reichlich naiv

Ich geb’s ja zu, es war reichlich naiv von mir zu glauben, so eine neue Mischbatterie sei ganz einfach anzubringen. Vor allem, wenn die Alte partout nicht von der Wand weg will. Aber ich kann doch nicht eine halbe Ewigkeit warten, bis „Meiner“ mal gar nichts um die Ohren hat und sich darum um die Verschönerung unseres uralten Badezimmers kümmern kann.

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Na ja, immerhin ist „Meiner“ jetzt dazu gezwungen, sich umgehend des Wasserhahns anzunehmen, wenn er nach Hause kommt. Es sei denn, er wolle nie wieder duschen. Was ich aus verschiedenen Gründen nicht hoffe.

 

 

 

 

Der männliche Teenager während der Schulferien

Morgens schläft er meist sehr lange aus, was durchaus angenehm ist, wenn du kein bestimmtes Tagesprogramm vorgesehen hast und ganz froh bist, wenn du den Tag in Ruhe angehen kannst. Irgendwann – meist wenn du dich gerade der Zeitungslektüre zugewendet hast oder mit „Deinem“ gemütlich frühstücken möchtest – kommt er angeschlurft, verschlafen, aber ausserordentlich gut gelaunt. Er schnappt sich ein Frühstück, setzt sich zu dir an den Tisch und fängt an, Nonsens von sich zu geben. Zugegeben, dieser Nonsens ist ganz amüsant, doch leider verträgt er sich schlecht mit der vertieften Analyse der politischen Landschaft, die du gerade lesen möchtest. Nachdem der Magen gefüllt ist, verzieht sich der Teenager wieder in sein Zimmer. Wenn du Glück hast, stellt er vorhin noch sein schmutziges Frühstücksgeschirr in die Küche. Hast du Pech, tut er es nicht und du musst ihn herbeizitieren, was meist zu einer kleinen Meinungsverschiedenheit führt.

Erst gegen ein Uhr bekommst du den Teenager wieder zu Gesicht. Er steckt noch immer im Pyjama und will wissen, was es zum Mittagessen gibt. „Na ja, ich dachte, weil du erst gerade gefrühstückt hast…“ „Aber ich hab Hunger!“, unterbricht er dich und mit seiner Hilfe bringst du irgend etwas auf den Tisch, was nicht zu viel Arbeit macht. Nach dem Mittagessen verschwindet er wieder in seinem Zimmer, das er erst am späten Nachmittag wieder verlässt, noch immer im Pyjama. Wenn er Pech hat, läuft er „Deinem“ in die Arme, der findet, a) solle sich der Teenager endlich anziehen und b) könne er sich doch ein wenig nützlich machen, wo er doch ganz offensichtlich nichts zu tun habe. Der Teenager ist entrüstet, dass da einer versucht, seine heilige Freizeit anzutasten und verschwindet wieder auf seinem Zimmer, im schlimmsten Fall unter Türeknallen.

Dort bleibt er genau so lange, bis du glaubst, du könnest jetzt die Küche für heute schliessen und allmählich an den Feierabend denken. Dann kommt der Teenager runter, frisch geduscht und sauber angezogen. Zuerst schmiert er sich ein paar Brote, vergisst die Krümel und fragt, ob man heute vielleicht auch mal was mache. Was er denn machen wolle, fragst du und gähnst. „Weiss nicht. Einen Film schauen, vielleicht“, kommt die Antwort. Die nächsten 45 Minuten verbringt der Teenager damit, den perfekten Film zu finden, dann, so gegen zehn Uhr, wirft er sich mit ein paar Katzen aufs Sofa und fragt: „Wollt ihr auch mitschauen?“ Du sagst nein, „Deiner“ sagt ja und du begreifst, dass ein Teenager im Haus die eheliche Zweisamkeit weit mehr gefährdet als die fünf sehr kleinen und kleinen Kinder, die du vor ein paar Jahren noch zu betreuen hattest.

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Eifersüchtige Zicke

Wenn „Deiner“ vom Maienzug nach Hause kommt und dir ganz arglos davon erzählt, wie viele Komplimente er von wildfremden Frauen für seine elegante Erscheinung eingeheimst hat, dann weiss die kleine, eifersüchtige Zicke, die nach sechzehn Ehejahren noch immer in dir drin steckt, was du zu tun hast: Raus aus dem Bett, fiebersenkendes Medikament einwerfen, unter die Dusche, etwas Farbe ins Gesicht klatschen und mit Mann und Kindern ab auf den Festplatz. Dann ist der Moment gekommen, um den Damen zu zeigen, dass dieser „gut aussehende junge Lehrer“  – Himmel, so jung ist der Mann nun auch wieder nicht! – eine Frau an seiner Seite hat. Eine Frau, die zwar (nur heute?) etwas mitgenommen aussieht, die aber immerhin seit sehr vielen Jahren mit ihm durch sämtliche Höhen und Tiefen des Lebens geht. Okay, natürlich haben dich diese vielen Jahre auch gelehrt, dass „Deiner“ gar nicht auf der Suche nach einer Ersatzfrau ist, aber mach das mal deiner inneren Zicke weis. Die wird keine Ruhe geben, bis du nicht mit zittrigen Knien und Brummschädel auf dem Festplatz stehst. Und wo du schon dort bist, kannst du gleich noch ein paar Dummheiten begehen. Zum Beispiel deinen schwachen Magen mit Knoblauchbrot und Falafel überfordern und danach mit deinen Söhnen zwei irre Runden auf dem Calypso-Karussell drehen. Danach bleibt dir nichts anderes mehr übrig, als dich in einem Anflug von Schwäche an „Deinen“ zu klammern und wenn du das tust, wird dir die kleine, eifersüchtige Zicke hoch zufrieden ins Ohr flüstern: „Sehr gut so! Häng dich an ihn wie eine Klette, dann sieht jede, dass er nicht mehr zu haben ist.“ Dabei weisst du doch ganz genau, dass du ein solches Theater nicht nötig hast, weil dir „Deiner“ eben erst gesagt hat, wie froh und dankbar er ist, dich an seiner Seite zu haben. 

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Manchmal ist das Leben…

Gliederschmerzen, die so heftig sind, dass ich kaum die Teetasse halten mag, Luise, die mich stets dann aufweckt, wenn ich endlich am Wegdämmern wäre, Karlsson, der zum gefühlt hundertsten Mal mit Verve Mozarts „Türkischen Marsch“  – den ich gewöhnlich wirklich mag – in die Klaviertasten haut, elende Fliegen, die mir um den Kopf surren, ein Kätzchen, das auf der Jagd nach einer dieser Fliegen eine Tasse voller Tee auf meine Matratze kippt, ein Schädel, der dermassen brummt, dass ich nicht mal lesen mag, stechende Schmerzen beim Einatmen, ein Telefon, das stets dann klingelt, wenn es wieder jemand von meinem Nachttisch entfernt hat und dieser jemand sich ebenfalls so weit entfernt hat, dass ich ans Telefon gehen muss, die Aussicht auf einen sechzehnten Hochzeitstag im Bett anstatt beim romantischen Abendessen, ein „Kranke Mama im Haus“-Chaos, das sich fast unaufhörlich ausweitet… – Kurz: Ein Tag zum Vergessen.

Wäre da nicht Karlsson, der mit besorgter Miene zu mir sagt, vielleicht hätte ich die Besprechung von heute Morgen doch besser sausen gelassen. Das Prinzchen, der sich auch nach der zweiten Kronen-Lichtnelken-Lieferung nicht davon abhalten lässt, noch einmal fröhlich singend für mich in den Garten zu rennen, um doch noch die gewünschten Salbeiblätter zu finden. Dazwischen die rührende Beschreibung, wie gross die Schwalbenschwanzraupen bereits geworden sind. Ein ganzer Becher „Swiss Chilbi“-Glace, den ich mir ohne schlechtes Gewissen ganz alleine einverleiben darf, weil ich a) Halsschmerzen habe und Medizin brauche, b) heute noch kaum etwas gegessen habe und c) niemand aus meinem Becher essen darf, weil er sich sonst ansteckt. „Meiner“, der mir voller Stolz vorführt, wie elegant er morgen am Maienzug  – der zufällig auch unser Hochzeitstag ist – aussehen wird. Luise, die wieder gesund ist und fröhlich von ihren Erlebnissen in der Mädchengruppe, der sie sich neulich angeschlossen hat, plaudert. Der Zoowärter und der FeuerwehrRitterRömerPirat, die es für einmal fertig bringen, einen Krankheitstag auch wirklich schlafend im Bett und nicht zankend und streitend zu verbringen. Gesunde Kinder, die für einmal widerspruchslos helfen, das Chaos zu beseitigen. Die Zugtickets für die Schwedenreise, die „Meiner“ endlich am Bahnhof abgeholt hat. – Kurz: Ein Tag, der zwar zum Vergessen ist, der mir aber dennoch vor Augen führt, was für ein glücklicher Mensch ich doch bin. 

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Wenn ich freitags ungestört arbeiten will…

Luise: „Mama, kannst du schnell…?“

Ich: „Nein, Luise, du musst zu Papa gehen. Ich arbeite doch heute. Wenn Papa in der Schule ist, kannst du auch nicht einfach zu ihm gehen. Wenn ich arbeite, ist das genau gleich, auch wenn ich hier bin. Das habe ich dir jetzt doch schon hundertmal gesagt.“

Drei Minuten später

Karlsson: „Die Lehrerin hat heute gesagt…“

Ich: „Karlsson, ich arbeite…“

Karlsson: „…wir müssten jetzt doch keinen…“

Ich: „Kaaaarlsson, ich aaarbeite…“

Karlsson: „…Kuchen mitbringen, weil…“

Ich: „Ich hab‘ gesagt, ich arbeite!“

Karlsson: „…am Schluss ja doch die Mütter in der Küche stehen würden. Ich lass dich jetzt arbeiten.“

Zwanzig Minuten ungestörtes Arbeiten, dann…

Prinzchen: „Der Zoowärter hat…“

Zoowärter: „Aber das Prinzchen hat auch…“

Ich: „Ich will überhaupt gar nichts wissen von euren Streitereien. Geht zu Papa, der ist heute für euch da.“

Beide: „Aber er hat zuerst…“

Ich: „Und ich will nichts davon wissen. Ab, zu Papa!“

Etwas später…

Wieder das Prinzchen: „Papa will mir nichts zu essen geben.“

Ich: „Das kann ich mir nicht vorstellen…“

Prinzchen: „Doch, er sagt, ich muss zuerst meine Sachen wegräumen…“

Ich: „Dann mach das doch. Danach bekommst du sicher etwas.“

Prinzchen (schluchzend): „Aber ich hab‘ doch solchen Hunger…“

Ich (wütend, weil mein armes Kindchen hungern muss): „‚Meiner‘, jetzt gib doch diesem armen Kind etwas zu essen. Er kann doch nachher aufräumen. Und überhaupt: Wenn du nie zu den Kindern schaust, kann ich nicht arbeiten!“

Kurzer, aber heftiger Krach mit „Meinem“, dann wieder eine Zeit lang ungestörtes Arbeiten

FeuerwehrRitterRömerPirat: „Mama, darf ich…“

Ich: „Ich arbeite…“

FeuerwehrRitterRömerPirat: „Aber du hast gestern gesagt…“

Ich: „Kann sein, dass ich gesagt habe und dann darfst du auch. Aber sprich dich mit Papa ab, er ist heute zuständig.“

Zwanzig Störungen später

Ich (zu irgend einem unschuldigen Störenfried, der zufällig gerade in der Nähe steht): „Himmel, wann wollt ihr denn endlich begreifen, dass ich heute ganz und gar nicht ansprechbar bin für euch? Wozu habt ihr eigentlich einen Papa, der freitags zu Hause ist?“

Natürlich hat keiner begriffen, was los ist mit mir, aber da sie jetzt alle zum Jugendfest müssen, habe ich endlich Ruhe. Denke ich…

Prinzchens bester Freund: „Tamar, weisst du, wo das Prinzchen ist?“

Aus lauter Gewohnheit hätte ich beinahe gesagt: „Frag Papa“, doch dann erinnerte ich mich im letzten Moment daran, dass der Papa von Prinzchens bestem Freund nicht wissen kann, wo das Prinzchen ist, weil der nämlich noch weniger zuständig ist für meine Kinder als ich es heute theoretisch gewesen wäre.

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Wir können das jetzt wieder

Wenn die Kinder alle schlafen, oder zumindest so still sind, dass keine Gefahr mehr von Ihnen ausgeht und „Meiner“ und ich Lust haben, das Wochenende gemütlich ausklingen zu lassen, dann tun sich uns ein paar Möglichkeiten mehr auf, als noch vor einigen Monaten. Bisher waren unsere Optionen ja ziemlich beschränkt: Film reinziehen, heimlich Pizza holen und auf dem Balkon essen oder ein wenig im Garten sitzen und plaudern. Gut, es gab noch die Möglichkeit, einen Babysitter zu engagieren und wegzugehen, aber das war erstens nicht sehr spontan und zweitens ziemlich teuer.

Inzwischen aber sind die Grossen gross genug, dass wir – wenn die Kleinen hundemüde sind und schon schlafen, ehe der Kopf aufs Kissen gesunken ist – ruhigen Gewissens in die Stadt fahren können, wo wir uns in der Bar am Fluss eine kühle Gazosa und eine Kleinigkeit zum Essen gönnen. Wenn der Teller leer ist und noch kein panischer Anruf von zu Hause gekommen ist, liegt gar ein gemütlicher Spaziergang am Fluss drin. Fast so, wie damals, als wir noch jung und unbekümmert waren und unsere Abende ganz nach Belieben gestalten konnten. Und ebenso wie damals erwartet uns zu Hause meistens irgend jemand mit dem Vorwurf „Wo seid ihr so lang gewesen? Ich hab‘ mir Sorgen gemacht.“

Gut, ganz so wie damals ist es natürlich trotzdem nicht. Die Sache mit dem Händchenhalten haben wir ein wenig verlernt, aber vielleicht kommt das ja wieder, wenn wir uns an unsere neu gewonnenen kleinen Freiheiten gewöhnt haben.

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Da habe ich doch heute ganz nebenbei einen neuen Job gefasst. Ohne Bewerbungsschreiben, ohne Vorstellungsgespräch, ohne banges Warten auf die Antwort des Arbeitgebers. Ein salopp dahingesagtes: „Lass mich das machen, du richtest sonst ein heilloses Durcheinander an“ reichte,  um den Job zu bekommen. Meine Aufgabe besteht darin, „Meinen“ davon abzuhalten, mehrere Kurse am gleichen Wochenende zu buchen, dafür zu sorgen, dass keine Anmeldungen vergessen gehen und die Kurskosten einzutreiben.

„Meiner“ mag nämlich ganz begabt sein darin, Jungs darüber aufzuklären, was in ihrem sich entwickelnden Körper abgeht, er versteht es auch ganz gut, den Eltern zu erklären, was er den Jungs alles erzählen wird, aber wenn es darum geht, den Überblick zu behalten, ist er… nun ja, sagen wir mal…ein wenig… herausgefordert. Ich hingegen wäre vollkommen unbegabt darin, mit Geduld und Liebe über die Vorgänge im menschlichen Körper zu referieren, dafür weiss ich, dass sich Kurse mit ein paar Tabellen und einem stets aktuell gehaltenen Kalender besser organisieren lassen als mit einer A4-Kladde.

So kommt es, dass wir einmal mehr gemeinsam an einer Aufgabe arbeiten. Er als Kursleiter, ich als…um Himmels Willen, nein! Doch nicht etwa als seine Sekretärin? Ich glaube, ich ziehe „Vorzimmerdrachen“ als Berufsbezeichnung vor.

Ach ja, und als Lohn für meine spontane Hilfeleistung hat „Meiner“ heute Abend den Kühlschrank tapeziert. Nein, fragt bitte nicht…

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Und als Ausgleich zehn Dinge, die mich zutiefst glücklich machen

* Frisch geschleuderter Honig, geschenkt von Menschen, die ihn selber geschleudert haben. Kostbarer geht’s fast nicht, finde ich.

* Wenn ich mit einem oder mehreren Kindern lachend und schwatzend durch die Strassen gehe und wir erstaunte Blicke von Passanten ernten. Ihr glaubt gar nicht, wie befremdlich es gewisse Menschen finden, wenn Mütter mit ihren Kindern herumalbern. (Schnauze ich meine Brut in der Öffentlichkeit an, dreht sich übrigens kaum je einer nach uns um.)

* Wenn es spät abends zu regnen anfängt und am Morgen wieder die Sonne scheint. Von mir aus dürfte der ganze Sommer so sein.

* Dass „Meiner“ und ich es trotz allem noch miteinander aushalten. Ach, was untertreibe ich da? Ich liebe diese Nervensäge noch immer.

* Blütendüfte beim Abendspaziergang (natürlich nicht zu spät am Abend, weil es dann ja gefälligst regnen soll).

* Die Vielfalt an Menschen, mit denen wir grössere und kleinere Bruchstücke unseres Lebens teilen dürfen.

* Dass die Kätzchen innert kürzester Zeit begriffen haben, wo das Geschäft hingehört. Okay, vielleicht macht mich das nicht gerade zutiefst glücklich, aber doch sehr zufrieden. Vor allem, wenn ich bedenke, dass der gute Gottegris noch immer… Ach, lassen wir das, wir reden hier von schönen Dingen.

* Heidelbeeren

* Das Gefühl, gesegnet zu sein. Überkommt mich immer dann, wenn uns aus heiterem Himmel etwas unglaublich Gutes zustösst.

* Dass ich wieder gelernt habe, Tränen zu lachen.

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