Dann frag‘ mich auch nicht…

Wann immer möglich halte ich mich zurück mit Ratschlägen zur Kindererziehung. Weil deine Kinder andere Macken haben als meine, weil ich anders ticke als du, weil deine Familie andere Herausforderungen zu bewältigen hat als meine, weil deine Überzeugungen anders sind als meine, weil bei dir überhaupt alles ganz anders ist als bei mir. Es gibt aber Mütter, die partout von mir wissen wollen, wie ich denn ihre Situation meistern würde und dann grabe ich eben in meinem Erfahrungsschatz und fördere die eine oder andere Weisheit zu Tage.

„Ich fand den Fliegergriff ganz hilfreich, wenn das Geschrei nachts einfach nicht aufhören wollte“, sage ich dann zum Beispiel. „Nein, komm mir nicht damit, das hilft bei meiner Kleinen überhaupt nichts“, gibt die Ratsuchende zur Antwort. „Nun, dann könntest du es vielleicht mit Bauchwehöl versuchen. Gibt’s in der Apotheke…“ „Du meinst das stinkige Zeug? Wenn ich das bloss rieche…“ „Nun ja, ich habe beste Erfahrungen gemacht damit, aber wenn das nicht dein Ding ist, könntest du es ja mit Singen versuchen. Hat meine Kinder immer ungemein beruhigt“, sage ich, um vielleicht doch noch einen hilfreichen Hinweis zu geben. „Singen? Um Gottes Willen nein! Ich singe so schrecklich falsch und dann sind auch unsere Nachbarn so fürchterlich empfindlich. Die würden sofort auf der Matte stehen, wenn ich nur schon ‚Alle meine Entchen‘ summen würde“, wehrt meine Gesprächspartnerin ab. „Vielleicht ist deinem Kind ja einfach zu warm“, sage ich vorsichtig. „Du müsstest ihm einfach die Socken ausziehen oder einen Moment lang an die frische Luft gehen mit ihm.“ Aber natürlich ist auch dies keine Lösung für dieses ganz spezielle Problem, mit dem ich offenbar in meiner bisherigen Mutter-Karriere noch nie konfrontiert war, denn irgend etwas von dem oben Genannten hat bei meinen Kindern immer funktioniert. 

Im Grunde genommen ist es mir vollkommen egal, ob jemand meine Ratschläge annimmt oder nicht, weil deine Kinder andere Macken haben als meine, weil… nun ja, das habe ich ja alles schon gesagt. Wenn die Ratsuchende aber nicht wirklich wissen will, wie ich ihre Situation meistern würde, dann soll sie mich bitte auch nicht danach fragen, denn ich habe noch zwei oder drei andere Dinge zu tun, als gegen eine Wand zu reden. 

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Sans complexe

Vor einiger Zeit habe ich mir die perfekte Unterwäsche gekauft, perfekter Sitz, schön, bequem und im Preis so stark reduziert, dass mir für einmal das Geld für Kleidung, die kaum einer je zu sehen bekommt, nicht zu schade war. Bis heute Morgen war ich äusserst zufrieden mit meinem Kauf. Dann aber las ich, was auf dem Elast geschrieben steht und schon fing es in meinem Kopf zu rotieren an: „Sans complexe“ steht da nämlich ganz dezent Ton in Ton eingewebt.

Ich soll also bitte sehr keine Komplexe haben, wenn ich diese Unterwäsche trage. Oh ja, ich weiss, man will mich mit dieser Aufforderung dazu ermutigen, meinen Körper so zu akzeptieren wie er ist. Aber natürlich löst das in mir genau das Gegenteil aus. „Ach so, die finden, dass Frauen wie ich von Komplexen geplagt sein könnten. Na, dann wird wohl was dran sein. Lass mich mal sehen, was müsste denn alles anders sein an mir, damit man mir nicht gut zureden müsste…“ Und schon befinde ich mich mitten im schönsten Gejammer über alles, was nicht so ist, wie es dem gängigen Schönheitsideal entspricht. Also auf dem besten Weg, mir einen netten kleinen Komplex zuzulegen.

Das läuft bei mir immer so. „Kann ich so aus dem Haus gehen?“, frage ich „Meinen“ jeweils, wenn ich einen wichtigen Termin vor mir habe. „Aber natürlich kannst du das“, gibt er meist zur Antwort. „Es passt alles perfekt zusammen, du siehst richtig gut aus. Willst du dir nicht noch eine Blume ins Haar stecken oder eine Halskette tragen?“ Ich weiss nicht, was andere Frauen in einem solchen Moment hören, ich weiss nur, was ich höre, nämlich: „Nun ja, wie eine Vogelscheuche siehst du nicht gerade aus, aber offen gestanden würde ich mich schämen, so aus dem Haus zu gehen. Vielleicht kannst du ja mit ein paar netten Accessoires die schlimmsten Mängel kaschieren, aber ich denke, in einem Kartoffelsack würdest du besser aussehen als in dem Fetzen, für den du dich entschieden hast.“ Und schon reisse ich mir verzweifelt die Kleider vom Leib und stimme ein Wehklagen über meinen leeren Kleiderschrank und meinen vollen Vorratsschrank, der mich immer wieder zum Naschen verleitet, an. Schlimmer kann die Sache nur noch werden, wenn „Meiner“ dann bemerkt, ich hätte immerhin fünf Kinder geboren und da sei es doch ganz normal, dass der Körper sich verändert. Dreimal raten, was ich bei dieser Bemerkung zwischen die Zeilen hinein interpretiere…

So funktioniere ich und deswegen wäre ich äusserst dankbar gewesen, wenn der Designer meiner Unterwäsche dieses blöde „Sans complexe“ weggelassen hätte.

Frauen

Es erstaunt mich immer wieder aufs Neue: Frauen, die in den frühen Zwanzigern betont hatten, dass sie nie, aber auch gar nie, die traditionelle Hausfrauenrolle übernehmen würden, sind mit Ende dreissig genau dort, wo sie nie sein wollten, nämlich zu Hause bei Kind und Hund. Diejenigen, die sich damals lautstark für die Mama am Herd ausgesprochen hatten, sind meist ziemlich bald nach der Geburt ihrer Kinder wieder ins Berufsleben eingestiegen, weil sie sich das alles ein wenig anders vorgestellt hatten. Und die Frauen, die damals schon aussahen wie abgekämpfte Hausfrauen haben Karriere gemacht und würden nicht im Traum daran denken, Kinder auf die Welt zu stellen.

Wenn ich mich umsehe und umhöre bei den Frauen meiner Generation, dann fällt mir auf, dass kaum eine von uns dort ist, wo sie sich früher gesehen hatte. Gut, bei der Berufswahl gibt es kaum Überraschungen, da sind die meisten ihren Träumen treu geblieben, doch in der Fage wieviel Beruf und wieviel Familie reibt man sich oft erstaunt die Augen und fragt: „Wie? Du eine glückliche Hausfrau? Und der Job kann dir echt gestohlen bleiben?“ Zuweilen kommt es mir so vor, als hätten wir damals in unseren endlosen Debatten am Gymnasium unseren eigenen Standpunkt in Sachen Familie und Beruf so lautstark vertreten, weil wir uns selbst von seiner Richtigkeit überzeugen wollten. Denn irgendwo tief in unserem Inneren ahnten wir wohl schon damals, wie wir eigentlich ticken. Das, oder wir sind inzwischen einfach weise genug geworden, um zu erkennen, dass man sich in Sachen Kinder und Job erst dann eine Meinung bilden kann, wenn man drinsteckt.

Sec

Es gibt verschiedene Arten, die Sache zur Sprache zu bringen. Man kann zum Beispiel Studien erstellen, die mit schönen Säulendiagrammen belegen, wer welchen Einsatz zeigt. Man kann auch ein grosses Gejammer anstimmen, der besten Freundin die Ohren vollheulen und darüber klagen, dass die Arbeitsteilung einfach ungerecht sei. Man kann still vor sich hin werkeln und dabei die Faust im Sack machen, weil es doch einfach so nicht weitergehen kann. Man kann sich aber auch auf den Bundesplatz stellen, tausende von Gleichgesinnten aufbieten und laut ins Megaphon – das Prinzchen würde „Megalophon“ sagen – brüllen, was Sache ist. Oder man schreibt einen engagierten Artikel, der den Umstand auf den Punkt bringt. Vielleicht wird daraus ein ganzes Buch, vielleicht aber behält man das alles für sich und sitzt eines Tages im Altersheim und erinnert sich daran, wie schwierig es damals doch war.

Ja, es gibt unzählige Arten, den Umstand zur Sprache zu bringen, aber so kurz, sec und treffend, wie das Prinzchen es heute Morgen, als er mich nicht gehen lassen wollte, unter Tränen hervorgestossen hat, hört man es selten: „Frauen müssen immer so viel arbeiten!“ Und damit ist alles gesagt, was es zum Thema zu sagen gibt…

 

So kauft man Schuhe

Schuhe kaufen mit unseren Söhnen ist wirklich die einfachste Sache der Welt: Den Sinn für guten Stil ausschalten, auf das Regal mit den grässlichsten aller mit Blinklichtern ausgerüsteten Schuhe zusteuern, die richtige Grösse suchen und die Sache ist erledigt. Das Preisschild braucht man gar nicht erst zu konsultieren, denn die Dinger sind so stinkbillig, dass dich die Gewissensbisse teurer zu stehen kommen als das Schuhwerk für die drei Jüngsten. Bei Karlsson war es da deutlich komplizierter, zumindest solange er noch Grösse 38 trug. Elegant für Jungs, das gibt es einfach nicht im gewöhnlichen Schuhladen und für den aussergewöhnlichen fehlt uns das Kleingeld. Und elegant muss es sein, sonst macht der Herr nicht mit. Zum Glück ist er quasi über Nacht in die kleinste Herrenschuhgrösse hineingewachsen und seither ist auch der Schuhkauf für ihn innert Minuten abgewickelt: Herrengrösse 40 ansteuern, ein bezahlbares Paar in schwarz, poliert und elegant auswählen und schon ist unser Ältester der glücklichste Mensch auf Erden. Nach zwanzig Minuten sind die vier neu beschuht und solange keiner der Schuhe frühzeitig aus dem Leben scheidet, ist die Sache für die nächsten Monate wieder erledigt.

Ganz praktisch, ich geb’s ja zu, aber Schuhe kauft man doch eigentlich anders ein. Zuerst einmal sieht man sich eine halbe Stunde lang im Laden um, schlüpft in die grässlichsten High Heels, damit man endlich mal wieder Tränen lachen kann, macht sich lustig über den letzten Schrei der Saison und stülpt sich einen Moon Boot über den Kopf. Hat man all dies mit Erfolg getan – der Erfolg wird in diesem Fall an der Zahl der missbilligenden Blicke der Verkäuferin gemessen -, kommt die Schwerstarbeit: Die Auswahl für die engere Wahl. Dafür rechnet man eine bis unendlich viele Minuten, je nach Sortiment. Nach einer ersten Runde der Anprobe scheidet ein Grossteil der gewählten Modelle aus und dann wird es wirklich schwierig. Man kann nämlich nicht alle nehmen und deshalb beginnt der schmerzhafte Prozess des Aussortierens. „Dich kann ich leider nicht nehmen, weil du zu teuer bist. Würdest du die Hälfte kosten, ich hätte dich schon längst gekauft, aber mein Budget sagt leider nein. Du wärest auch ganz nett, aber leider verträgt sich dein Absatz nicht mit meinem Fersensporn und dir muss ich leider mitteilen, dass deine Schleife nicht ganz so hübsch ist, wie ich sie gerne hätte…“ So wandert ein Paar nach dem anderen zurück ins Regal und wenn man Glück hat, bleibt am Ende noch ein Paar, das mit nach Hause kommen darf. Wenn man Pech hat, wandert alles zurück ins Regal, aber zumindest hat man eine Menge Spass gehabt und im nächsten Laden geht der Spass in die zweite Runde.

So, meine Herren, kauft man Schuhe ein und nicht zack zack, damit man sich möglichst schnell vor die Flimmerkiste in der Kinderabteilung setzen kann. Zum Glück versteht zumindest eure Schwester etwas von der Sache und die schnappe ich mir morgen Nachmittag, damit wir zusammen all das nachholen können, was heute Nachmittag mit euch zu kurz gekommen ist. Wobei es eigentlich ganz gut ist, dass ihr euch schnell entschieden habt, denn etwas Langweiligeres als Schuhe für Jungs gibt es wohl nicht.

Ich will das nicht können müssen

Grundsätzlich bin ich keine  Freundin von klassischen Rollenmustern. Das fing schon in der Ehevorbereitung an, wo  „Meiner“ und ich einander stets fragend anschauten, wenn mal wieder eine Liste mit „typisch er – typisch sie“ gezeigt wurde. Wäre man  nach diesen Listen gegangen, dann wäre in den meisten Fällen er „sie“ und ich „er“ gewesen.  Und so haben wir uns relativ früh dazu entschieden, einfach zu sein,  wer wir sind und uns unseren Alltag so einzurichten, dass jeder das tut, was ihm besser liegt, auch wenn es nicht den Geschlechterklischees entspricht, die man damals in der Ehevorbereitung noch predigte.

Gewöhnlich sind wir damit ganz glücklich, aber hin und wieder überkommt „Meinen“ der Drang, die Dinge auf den Kopf zu stellen, vermutlich um zu verhindern, dass  wir einrosten. Heute Morgen zum Beispiel kam  er auf den irrigen Gedanken, dass ich die  Kinder zum Skikurs fahren könnte, währenddem er sich um den Haushalt kümmert. Mir war sofort klar, dass es in diesem Fall weiser wäre, uns an die klassische  Rollenteilung zu halten und deshalb versuchte ich, meinen Mann davon zu überzeugen, wie viel besser es doch wäre, wenn ich das Frühstücksgeschirr abwaschen, die Wäsche aufhängen und den Fussboden saugen würde. Hätten wir ein Bügeleisen hier, ich hätte ihm sogar vorgeschlagen, dass ich danach noch die Unterwäsche bügle. Ihr seht also, ich war echt verzweifelt.

Aber „Meiner“ blieb hart: „Ich will nicht jeden Morgen der Idiot sein, der in diese elende Kälte hinaus muss und es sind ja nur zehn Minuten Fahrt.“ „Aber ich kenne den Weg nicht“, jammerte ich, worauf „Meiner“ nur meinte, die Kinder wüssten ja, wo es lang ginge und sich dem Abwasch zuwandte. Am liebsten hätte ich laut gebrüllt, dass ich doch eine Frau und deshalb grundsätzlich ungeeignet sei für solche Abenteuer, aber ich wusste ja, dass „Meiner“ so etwas nicht gelten liesse und so schickte ich mich eben grummelnd und schimpfend in das Unvermeidliche.

Aber natürlich stellten sich meine Bedenken als vollkommen berechtigt heraus. Ich kenne ja meine Grenzen. Auf dem Hinweg ging es ja noch, denn da konnten mich die Kinder lotsen. Aber auf dem Rückweg? Na, was wohl? Mein Orientierungssinn liess mich mal wieder im Stich und so fand ich zwar  ganz ungewollt den Weg zu dem Krankenhaus, in welchem Karlsson vor etwas mehr als drei Jahren seinen geplatzten Blinddarm losgeworden ist, ich fand den Laden, in dem ich mir damals Rosinenbrötchen gekauft hatte, weil der Spitalkoch nicht begreifen konnte, dass eine schwangere Vegetarierin mit einer Bratwurst und nichts dazu nicht satt zu bekommen ist. Ich fand auch den Weg zum Bahnhof, hinter welchem irgendwo die Strasse zu unserem Ferienhaus zu finden wäre, aber wie ich die Bahnlinie umgehen sollte, um zu dieser Strasse zu gelangen, das erschloss sich mir bei allem Schimpfen und Klagen nicht. Am Ende blieb mir nichts anderes übrig, als den ganzen Weg noch einmal zurückzufahren und irgendwann die richtige Abzweigung zu erwischen.

Als ich nach einer Stunde Irrfahrt endlich dem Ferienhaus nahe war, kam ein besorgter Anruf von „Meinem“. Wo ich denn geblieben sei? Blöde Frage von dem Mann, der seit nunmehr zwanzig Jahren mit mir unterwegs ist. Man sollte doch meinen, er hätte in dieser Zeit so einiges von meinen  Irrfahrten mitbekommen und würde  mich deshalb vor weiteren solchen Situationen bewahren. Gehört doch irgendwie zu einer Ehe, oder? Ich schliesse den armen Mann ja auch nicht mit der Steuererklärung in einem Zimmer ein und mache mich dann aus dem Staub.

 

 

Gleiche Geschenke für alle

Endlich haben wir sie erreicht, die Gleichberechtigung. Da stöbere ich heute Nachmittag nach einem ergänzenden Geburtstagsgeschenk für „Meinen“, entdecke, dass einer dieser Öko-Anbieter jetzt auch einen Katalog speziell für Männer hat und denke, dass ich dort vielleicht fündig werden könnte. Und siehe da, man findet alles, was der moderne Mann sich zum Geburtstag wünschen könnte: Saftpressen, Handmixer, Kaffeekocher und Römertöpfe. Endlich können wir uns rächen für all die Jahre, in denen uns die Männer mit praktischen Geschenken für den Haushalt beglückt haben. Wenn der erstaunte Gatte wissen möchte, wie wir auf die Idee gekommen sind, ihm ausgerechnet einen Handmixer zu schenken, dann können wir voller Stolz antworten: „Das habe ich aus einem Katalog, den sie eigens für Männer zusammengestellt haben. Sag‘ Schatz, freust du dich denn nicht? Schau doch mal wie praktisch. Damit wir dir jedes Soufflée gelingen…“

Nun, ich habe dann doch darauf verzichtet, „Meinem“ etwas aus diesem Katalog zu bestellen. Ausser diesem einen Ausrutscher mit dem Brotbackautomaten hat er mich nie mit praktischen Geschenken genervt und deshalb sehe ich keinen Grund, weshalb ich mich mit einem Handmixer oder einer Saftpresse rächen sollte. Wobei, vielleicht sieht er Haushaltgeräte gar nicht als Strafe an. Wenn ich mich recht erinnere, hat er sich vor drei Jahren riesig über die Nähmaschine gefreut.

Ob ich vielleicht doch…

Frau Mutter

Man könnte ja glauben, dass sich die Menschheit so langsam daran gewöhnt hat, dass Frauen hin und wieder schwanger werden. Zuweilen möchte man hoffen, dass auch die Schweizer Bevölkerung sich damit abgefunden hat, dass eine Frau, die Mutterfreuden entgegensieht, nicht alles stehen und liegen lässt und fortan nur noch auf dem Sofa sitzt, um zu brüten. Man wagt zu denken, dass es niemanden gross stört, wenn eine Schwangere gar hin und wieder das Haus verlässt und zwar nicht nur, um zur Vorsorgeuntersuchung zu gehen oder um sich die Babyausstattung zu besorgen. 

Ein Blick in die Sonntagspresse macht jedoch schnell einmal klar, dass noch fas alles beim Alten ist: Ist Frau Nationalrätin guter Hoffnung, dann liest man nicht mehr, dass „die Nationalrätin am Mediengipfel“ zu Gast war, dann steht da, dass „die schwangere Nationalrätin“ anwesend war. Weil jetzt, wo Frau Nationalrätin mit Fötus unterwegs ist, natürlich alles ganz anders ist. Nun gut, für sie persönlich ist natürlich schon einiges anders geworden. Aber für den Rest des Landes? Nicht wirklich, oder? Es sei denn, man habe Mühe damit, zu verdauen, dass Frau Nationalrätin nach der Geburt des Kindes zwar den Job, nicht aber die Politik an den Nagel hängen will. Und wo kommen wir denn hin, wenn immer mehr Frauen im Parlament sitzen, die auch an die Zukunft ihres eigenen Kindes denken, wenn sie sich die Zähne daran ausbeissen, wie die Schweiz dereinst aussehen soll?

Oh ja, ich weiß, jetzt kommt dann gleich der Einwand, wir hätten in der Schweiz eben ein Milizparlament und da dürfe es nicht sein, dass ein Politiker keinen Job habe, sonst verliere er den Kontakt zum Alltagsleben und werde zum Berufspolitiker. Und da gehen mir natürlich die Argumente aus, denn es ist eine altbekannte Tatsache, dass man im Elfenbeinturm des Familienlebens von der harten Alltagsrealität so gut wie nichts mitkriegt.

Zukunftspläne

Die männlichen Vendittis sind ausgeflogen, Luise und Mama geniessen die Zeit zu zweit. Irgendwann kommt man auf Luises Berufswunsch zu reden. Sie will später mal auf der Wöchnerinnenstation arbeiten. Ich erzähle ihr von einer Bekannten, die früher auch dort gearbeitet hat.

„Warum arbeitet sie denn nicht mehr dort?“, will Luise wissen. „Weil sie Kinder hat und auf der Wöchnerinnenstation muss man ja auch nachts arbeiten. Das ist nicht ganz so einfach, wenn man Mutter ist. Darum arbeitet sie jetzt etwas anderes“, erkläre ich. Luise überlegt einen Moment lang, dann meint sie: „Also wenn ich einmal Kinder habe, arbeite ich weiter. Ich bin doch nicht altmodisch.“ „Und was machst du mit den Kindern, wenn du nachts arbeiten musst?“, frage ich. „Dann passt mein Mann auf die Kinder auf“, kommt es wie aus der Pistole geschossen. „Gute Idee. Der Papa soll ruhig mit anpacken. Aber was machst du tagsüber? Dann wirst du schlafen müssen und vielleicht ist dein Mann ja dann bei der Arbeit“, gebe ich zu Bedenken. „Dann zwinge ich meinen Mann eben einfach dazu, seinen Beruf aufzugeben und zu Hause zu bleiben“, sagt meine Tochter selbstbewusst und damit ist das Problem soweit für sie gelöst, dass sie sich konkreter Gedanken darüber machen kann, welcher von all den Jungs aus ihrem Bekanntenkreis in Frage kommen könnte als der Mann am Herd, der sich von seiner Frau verbieten lässt, berufstätig zu sein.

Bevor sich nun die Antifeministen auf mich stürzen, muss ich betonen, dass Luise diese Meinung nicht von mir hat. Ich bin und bleibe ja der Überzeugung, dass es der Welt am besten ginge, wenn Frau und Mann miteinander statt gegeneinander arbeiten würden.  Eine Haltung, die den Antifeministen zwar nicht besser gefallen wird als diejenige von Luise, aber welche nur halbwegs vernünftige Frau möchte denn denen gefallen?

Es ist mir ernst

Wenn ich sage, dass mir so langsam der Schnauf ausgeht, sage ich dies nicht, um zur Antwort zu bekommen: „Ich würde das ja nie durchhalten. Aber du schaffst das mit Links.“

Wenn man mich fragt, wie es mir so geht und ich antworte „Nicht besonders gut“, dann meine ich das auch so. Denn wenn es mir gut ginge, würde ich sagen, dass es mir gut geht.

Wenn ich sage, dass mir die Dinge manchmal über den Kopf wachsen, dann brauche ich keine Ratschläge im Sinne von „Du müsstest eben besser delegieren…“ oder „Du hättest die Sache eben anders angehen müssen…“ Nein, dann wäre ich ganz froh, wenn ich einfach mal erzählen könnte, dass es nicht immer einfach ist, Familie, Arbeit, Schreiben und Haushalt zu jonglieren, dass das Ganze zwar unglaublich viel Freude macht, dass es aber auch ganz schön an die Substanz gehen kann. Ein wenig Verständnis würde so viel mehr bringen als ein besserwisserisches „Du müsstest eben…“ Was ich müsste, weiss ich sehr wohl, aber ob das, was ich müsste auch in die Realität umgesetzt werden kann, liegt nicht alleine in meiner Hand.

Wenn ich sage, dass ich mich schwach fühle, dann ist es schmerzhaft, wenn man mir sagt, ich sei doch eine starke Frau, ich würde das schon alles hinkriegen. Muss man denn immer stark sein, bloss weil man offenbar – völlig unbeabsichtigt übrigens – das Bild einer starken Frau abgibt?

Wenn ich verkünde, dass ich mal wieder eine Pause brauche, dann meine ich dies nicht als Aufforderung, dass ich jetzt endlich Zeit habe für all die Dinge, die man auch noch gerne mit mir besprechen möchte. Nein, dann meine ich, dass ich mich mal wieder einen Moment lang hinsetzen möchte, um in Ruhe etwas zu trinken, ein wenig zu lesen oder meinen Gedanken nachzuhängen.

Wenn ich diesen Blog mal wieder als Jammerkasten missbrauche, dann tue ich dies nicht, um Mitleid zu erregen, sondern einfach darum, weil zu meinem Leben eben nicht nur die Höhepunkte, sondern auch die Tiefpunkte gehören. Würde ich diese aussparen, könnte man am Ende noch auf die Idee kommen, ich sei eine jener Frauen, die so tun, als hätten sie immer alles im Griff. Und weil ich das nicht habe, will ich auch nicht so tun als ob.