Was ich uns Müttern zum Muttertag wünsche

Vielleicht ist es etwas vermessen, Wünsche zu äussern, wo ich doch eigentlich ganz zufrieden sein könnte mit dem, was meine Lieben heute für mich tun. Aber es gibt dennoch ein paar Dinge, die ich mir und meinen Mitmüttern wünsche:

Ich wünsche uns, dass keine Mutter den Karren ganz alleine ziehen muss. Nein, das wünsche ich nicht nur meinen allein erziehenden Mitmüttern, sondern auch denen, die fast alle Lasten alleine tragen, obschon sie nicht alleine sind.

Ich wünsche uns Nachbarn, Politiker, Pädagogen, Kellner, Vorgesetzte, Schwiegermütter, Museumsaufseher und Buspassagiere, die uns grundsätzlich gute Absichten unterstellen und uns deshalb das Leben nicht unnötig schwer machen. Dann fällt es uns auch leichter, unsere guten Absichten in Tat umzusetzen.

Ich wünsche uns Supermärkte, die sich nicht auf Kosten unserer ohnehin schon arg strapazierten Nerven bereichern.

Ich wünsche uns, dass nie mehr darüber diskutiert wird, ob Stillen in der Öffentlichkeit anstössig ist.

Ich wünsche uns Freundinnen und Freunde, die in einer ganz anderen Lebenslage stecken als wir, damit wir es nicht verlernen, über den Tellerrand hinaus zu blicken.

Ich wünsche uns Selbstbewusstsein, damit wir die Mütter sein können, die unsere Kinder brauchen und nicht die Mütter, die irgend jemand anders als gute Mütter bezeichnet.

Ich wünsche uns, dass Mütter ihre Kinder nicht mehr schützen müssen vor Menschen, die vergessen haben, dass ein Kind nicht angetastet werden darf.

Ich wünsche uns, dass man von uns nicht automatisch erwartet, wir könnten und wollten basteln.

Ich wünsche uns die Fähigkeit, uns im Jetzt an unseren Kindern zu freuen und nicht erst im Rückblick, wenn sie unserer Obhut entwachsen sind. Das muss nicht jeden Tag übersprudelnde Begeisterung sein, immer mal wieder ein kleines Lächeln wäre schon ganz gut, auch an den Tagen, an denen nichts so ist, wie man es uns in der Werbung versprochen hat und wir uns wünschten, es gäbe ein Umtauschrecht.

Ich wünsche uns spannendere Gespräche unter Müttern. Ich meine, wollt ihr wirklich wissen, ob die andere lieber Pampers oder Huggies hat?

Ich wünsche uns, dass wir aufhören, einander zu sagen, wie man es „richtig“ macht.

Ich wünsche uns, dass wir nicht so tun, als wären wir bessere Menschen, weil wir Kinder geboren haben. Ich wünsche uns aber auch, dass wir nicht so tun, als seien wir schlechtere Menschen, weil wir es wegen der Kinder „nicht so weit gebracht haben“ wie andere.

Ich wünsche uns, dass wir nicht immer so ein elendes Affentheater machen müssen um jeden kleinen Mist.

Ich wünsche uns, dass unsere Kinder uns heute nicht nur sagen müssen, sie hätten uns lieb, sondern dass sie dies auch sagen wollen.

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Ab auf den Mars?

Wir sind also mal wieder soweit in der Schweiz: Man ist entweder für die EU, oder dagegen. Das gleiche Bild in Schwarz-Weiss, wie vor Jahren schon. Entweder, man erkennt in der EU die Inkarnation des Bösen, oder aber man ist ein Landesverräter, der die Schweiz am liebsten an Brüssel verschachern möchte. 

Himmel, sind wir denn nicht fähig, die Sache ein wenig differenzierter anzuschauen? Wäre es denn eine Schande, zu gestehen, dass die EU zwar bei Weitem nicht perfekt ist, dass sie aber durchaus ein paar beachtliche Dinge zustande gebracht hat? Klar, die Bürokratie ist haarsträubend, die Versuche, alle über den gleichen Kamm zu scheren sind unsinnig und meiner Meinung nach dürften die Bürger durchaus etwas mehr Mitspracherecht bei der ganzen Sache haben. Aber hat das Staatengebilde nicht auch seine guten Seiten? Ist es denn zum Beispiel nichts Wert, dass wir heute ungehindert in Länder reisen können, die vor wenigen Jahren noch verschlossen waren? Würden wir uns in einem Europa sicherer fühlen, in dem die Mächtigen bei jeder kleinsten Spannung die Soldaten aufeinander hetzen?

Nein, sie ist beileibe nicht perfekt, diese EU und würden wir morgen darüber abstimmen, ob die Schweiz beitreten soll, würde ich den Stimmzettel wohl leer einlegen. Aber ich wünschte, wir würden endlich lernen, sowohl das Gute als auch das Schlechte zu sehen. Denn ob es uns nun passt oder nicht: Solange die Schweiz inmitten dieses Kontinents platziert ist, werden wir nicht umhin kommen, uns mit denen zu arrangieren, die rund um uns herum leben. Oder sollen wir etwa demnächst darüber abstimmen, ob die Schweiz auf den Mars umziehen will?

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Sonntagsfragen

Wie haben sich die 24 Besucher aus Chile heute auf meine Seite verirrt und zählen die nun in der Statistik, auch wenn sie sich bestimmt nicht länger als zehn Sekunden hier aufgehalten haben?

Warum schaut die Weltöffentlichkeit an gewissen Orten sehr genau hin, an anderen aber ganz gezielt weg?

Muss ich denn immer und immer wieder sagen, dass ich mich zwar um Gerechtigkeit bemühe, aber nicht über Jahre hinaus im Gedächtnis behalten kann, wer wann ein Stückchen Schokolade mehr bekommen hat als die anderen?

Warum haben wir unseren Kindern je das Youtube-Video von „En Kafi am Pischterand“ gezeigt?

Muss ich anfangen, die Tageszeitung vor unseren Kindern zu verstecken, weil dort so viele schreckliche Dinge drinstehen?

Warum missbraucht mein sparsamer Mann die Gemüsereste, die für die Kaninchen vorgesehen wären, für seine Fotoprojekte und zwar so, dass sie nachher nicht mehr als Kaninchenfutter taugen?

Stimmt es, dass bereits die ersten Bienen unterwegs sind, oder hat die Frau, die das neulich erzählt hat, masslos übertrieben?

Warum weiss das Prinzchen stets vor dem ersten Bissen, dass ihn das Essen nicht schmeckt?

Spielen die absichtlich mit dem Feuer, oder ist denen einfach nicht bewusst, was alles schief gehen kann, wenn die Dinge aus dem Ruder laufen?

Warum bin ich nach Mitternacht immer viel wacher als am Morgen?

Wie kommt es, dass Schokolade bei uns nie länger als ein paar Stunden überlebt, wo doch il Cugino, die Kinder und ich stets so zurückhaltend sind?

Nun, zumindest auf die letzte Frage weiss ich eine Antwort. Oder auch zwei.

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Am Tag danach

Sie sagen: „Das Volk hat ein Zeichen gesetzt.“ Als ob wir, die wir nur ganz knapp unterlegen waren, nicht auch zum Volk gehörten. 

Sie sagen: „Das Resultat ärgert mich, aber ich bin nicht zur Urne gegangen. Hätte ja doch keinen Unterschied gemacht.“ Ausgerechnet jetzt sagen sie das, wo die Differenz zwischen Ja- und Nein-Stimmen so klein ist wie selten einmal.

Sie sagen: „Das wird schon nicht so schlimm kommen.“ Vielleicht haben sie recht. Was aber, wenn sie sich irren? Haben sie dann die Grösse, dies zuzugeben, oder finden sie dann einfach einen Sündenbock, auf den sie alles abschieben?

Sie sagen: „Jetzt können wir anfangen, die Probleme zu lösen.“ Dass Probleme da sind, leugne ich nicht, aber ist dies der Weg, sie zu lösen? Oder wurde gestern der Grundstein für viele neue Probleme gelegt? Kann man überhaupt Lösungen finden, wenn sich so deutlich wie noch selten eine Spaltung zeigt?

Sie sagen: „Nun seht doch nicht immer alles so schwarz.“ Aber das ist gar nicht so einfach, wenn man weiss, mit wie viel Gift und Häme die politischen Diskussionen geführt werden. Und die Diskussionen werden weitergehen, denn wie das Ganze umgesetzt werden soll, scheint bis anhin noch keiner zu wissen. 

Sie sagen viel, sowohl jene, die dafür waren, als auch jene, die dagegen waren. Und natürlich auch die, die uns von aussen beobachten. Vor lauter Gerede weiss man gar nicht mehr, was man denken soll. Ich schätze, so richtig wissen wird man das erst wieder, wenn man in ein paar Jahren zurückschaut und sieht, was aus der Sache geworden ist.

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Schweiz?

Prinzchens bester Freund feierte seinen sechsten Geburtstag und wir Gäste kamen von überall her. Aus Griechenland, Marokko, aus der Slowakei, aus Holland, aus Italien, aus Peru, aus der Schweiz, aus Angola… Nun gut, natürlich musste keiner von weither anreisen, denn wir alle waren schon hier in der Gegend, wir alle leben hier. Es war ein tolles Fest. Viel Gelächter, Kindergekreische, viel zu viel gutes Essen, Gestikulieren,  Hochdeutsch mit Akzent, fliessendes Schweizerdeutsch, dazwischen Brocken in den verschiedenen Landessprachen, Getratsche und Tiefschürfendes. Wunderbar war es, man mochte gar nicht mehr nach Hause gehen.

Nach Hause, wo man gezwungen war, sich mit der ernüchternden Tatsache auseinanderzusetzen, dass die Mehrheit der Stimmbürger eine solch farbenfrohe, lebhafte Schweiz lieber nicht haben will. 

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Es wird politisch

Karlsson: „Mama, wie hast du bei dieser Vorlage gestimmt?“
Ich: „Ich habe ja gesagt.“
Karlsson: „Du hast ja gesagt? Warum? Das kann ich jetzt überhaupt nicht verstehen.“
Ich: „Nun, ich finde dass man dadurch die Leute motivieren kann, es anders zu machen…Klar, ich sehe auch die Nachteile, aber…“
Karlsson: „Du findest also wirklich, dass Leute, die nicht viel haben, jetzt auch noch das ändern sollen. Deine Freundin, zum Beispiel, wie soll die das machen?“
Ich: „Auf sie hat das keinen Einfluss, sie braucht das ja nicht. Aber andere würden sich vielleicht wirklich nach Alternativen umsehen.“
Karlsson: „Aber wie sollen sie sich die Alternative denn leisten können? Das kostet doch eine Menge Geld…“
Ich: „Ja, aber wenn sie dafür auf das andere verzichten, können sie sich dafür die Alternative leisten.“
Karlsson: „Im ersten Jahr vielleicht, ja. Aber was ist danach?“
Ich: „Danach müssen sie eben das Geld dafür übers Jahr ansparen…“
Karlsson: „Tut mir Leid, Mama, aber das geht einfach nicht auf. Du hast einen völligen Mist gestimmt. Wenn die Vorlage angenommen wird…“
Ich: „Die wird ohnehin nicht angenommen, es sind doch alle dagegen. Da macht mein Ja doch keinen Unterschied…“
Karlsson: „Und wenn doch? Dann bist du mitschuldig daran, dass es schief geht. Das finde ich echt daneben….“

Unsere erste echte Diskussion. Bis anhin hat Karlsson immer gefragt und ich habe ihm gesagt, wie der politische Hase meiner Meinung nach laufen sollte. Jetzt aber fängt er an, sich eine eigene Meinung zu bilden, meine Sicht der Dinge in Frage zu stellen, mich herauszufordern. Seit Jahren schon habe ich mich darauf gefreut und jetzt, wo der grosse Moment gekommen ist, stelle ich fest, dass es noch viel mehr Spass macht, als ich mir vorgestellt hatte. Zumindest solange Karlsson trotz unserer unterschiedlichen Meinungen brav auf der linken Seite des politischen Spektrums bleibt…

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Meine sehr verehrten Bildungsdirektoren

Zuerst einmal ziehe ich meinen Hut vor Ihnen, weil Sie den gewagten Versuch unternehmen, zumindest für Schüler und Lehrer in der Deutschschweiz einheitliche Grundlagen zu schaffen. Der revolutionäre Gedanke, dass ein Kind nicht noch einmal bei Adam und Eva anfangen muss, wenn es mit seinen Eltern von Zürich nach Bern umzieht, gefällt mir. Wäre wirklich nett, wenn die Kinder am neuen Ort ihre alten Schulbücher weiterhin brauchen könnten und wenn in unserem kleinen Land überall mehr oder weniger dasselbe gelehrt und gelernt würde. Also, Chapeau!

So, nun ist mein Hut vom Kopf und jetzt sage ich Ihnen, was ich wirklich von Ihrem Papier halte. Ja, ich weiss, meine Meinung ist nicht gefragt, ich bin ja bloss eine Mutter und als solche gehöre ich nicht zu den „Adressaten der Konsultation auf sprachregionaler Ebene“, wie Sie Ihre Meinungsumfrage nennen. Die „Elterndachorganisation“ soll für uns alle sprechen, aber da ich nicht weiss, ob diese Dachorganisation sich mit ähnlich widerspenstigen Geschöpfen herumschlagen muss wie ich, spreche ich lieber selber.

Also, kommen wir zu meiner Meinung, die – ich gebe es offen zu – weder wissenschaftlich fundiert noch repräsentativ ist: Ihnen ist die Bodenhaftung abhanden gekommen. Okay, ich habe nicht den ganzen Entwurf gelesen, aber was ich bisher überflogen habe reicht mir für mein Urteil. Ich meine, nur schon die Tatsache, dass es Ihnen gelingt, unsere Kinder mit Kreismodellen – „Personale Kompetenzen, Soziale Kompetenzen, Methodische Kompetenzen“ – darzustellen, finde ich leicht beunruhigend. Und dann diese Sätze: „Die Schülerinnen und Schüler können ihr Persönlichkeitsprofil beschreiben und nutzen.“, „Die Schülerinnen und Schüler können beim Vortragen Texte gestalten und über die ästhetische Wirkung nachdenken.“, „Die Schülerinnen und Schüler können Rolle und Wirkungen von Religionen und Religionsgemeinschaften in gesellschaftlichen Zusammenhängen einschätzen.“ Oder – mein bisheriger Favorit – „Die Schülerinnen und Schüler können den eigenen Alltag gesundheitsförderlich gestalten.“ Seitenweise geht das so, über alle Fächer des Lehrplans hinweg, unterteilt in Teilbereiche von Teilbereichen, ausgeklügelt und ausformuliert bis ins kleinste Detail.

Zugegeben, inhaltlich liegen Sie oft gar nicht so daneben. Es wäre ja wirklich wünschenswert, dass Kinder irgendwann „im Alltag Gestaltungsspielräume für einen nachhaltigen Lebensstil entwickeln“ oder „verschiedene Lebenslagen und Lebenswelten erkunden und respektieren“ können. Aber finden Sie nicht auch, dass Sie von den Kindern Dinge erwarten, die auch uns Erwachsenen nur bedingt gelingen? Denken Sie überhaupt noch daran, dass Sie es hier mit Kindern zu tun haben und nicht mit Computern, die man nur richtig programmieren muss, damit sie sich erwartungsgemäss verhalten? Wissen Sie eigentlich noch, was Kinder sind, diese neugierigen, trotzigen, eigensinnigen, verspielten, wissbegierigen, ängstlichen, energiegeladenen, zornigen, drolligen, fröhlichen… Wesen, die auf dieser Welt sind, um ihren eigenen Weg im Leben zu finden? Oder haben Sie nur noch die Wirtschaftstauglichkeit der zukünftigen Berufstätigen und vielleicht noch die nächste PISA-Studie vor Augen?

Sollten Sie tatsächlich vergessen haben, was Kinder sind, lade ich Sie gerne dazu ein, sich mal mit unseren fünf Knöpfen und ihren Freunden zu unterhalten. Sie kämen dabei mit Durchschnittsschülern ins Gespräch, mit Migrantenkindern, die eben erst Deutsch gelernt haben, mit sehr begabten Kindern, mit solchen, die um jeden korrekten Satz kämpfen müssen, mit begeisterten Strebern und mit solchen, die nach kurzer Zeit schon den Schulverleider haben. Glauben Sie mir, diese Kinder könnten Ihnen einiges darüber erzählen, wie die Schule aussehen müsste, damit sie auch nur annähernd das wäre, was Sie sich in Ihrem schönen Papier ausmalen.

So, und jetzt ziehe ich meinen Hut wieder an. Damit ich ihn wieder vor Ihnen ziehen kann, wenn Sie einen Weg gefunden haben, den Lehrplan auf die Kinder masszuschneidern und nicht die Kinder auf den Lehrplan.

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Was mich das Leben so alles lehrt

  • Heizungen steigen grundsätzlich an dem Tag aus, an dem es draussen zum ersten Mal so kalt ist, dass sogar ich mich mit dem Gedanken trage, Strümpfe anzuziehen.
  • Die Heizung teilt dir immer erst dann mit, dass sie sich diesmal wirklich nur mit Hilfe eines Monteurs wieder in Gang bringen lässt, wenn du bereits einen Nachtzuschlag bezahlen müsstest, um diesen Monteur ins Haus zu bestellen.
  • Wenn die Heizung streikt, kommen Fernsehgeräte, Ladekabel, Handys und dergleichen auf die Idee, es ihr gleichzutun. Wir Hausbewohner würden dann am liebsten auch in Streik treten, aber es wird so furchtbar kalt, wenn man nicht ständig in Bewegung ist.
  • Es gibt nur einen Weg, dich nach der Veröffentlichung deines Buches nicht über Tippfehler zu ärgern: Du musst deine Bücher von Hand schreiben. Dann schreibst du nur das falsch, was du nicht richtig schreiben kannst. Darüber kannst du dich dann  nicht ärgern, weil du gar nicht merkst, dass du einen Fehler gemacht hast. 
  • In der Schweiz gibt es einen neuen Industriezweig: Die Betreuungsindustrie, manchmal auch Krippenindustrie genannt. Ich weiss zwar nicht genau, was diese Industrie produziert und weiterverarbeitet, aber das spielt ja auch keine Rolle. Das Wort macht sich einfach gut in Leserbriefen und wer denkt denn schon über den Sinn von Worten nach, wenn er Leserbriefe liest?
  • Dein jüngstes Kind bleibt immer kleiner als deine anderen Kinder und darum in deinen Augen klein, egal, wie gross es schon ist. 
  • Der Vormittag gehört noch lange nicht dir, bloss weil jetzt alle deine Kinder kindergarten- oder schulpflichtig sind. Irgend einer nimmt sich immer das Recht heraus, sich krank zu melden, wenn du eigentlich etwas anderes vorhättest. Also komm gar nicht erst auf den Gedanken, dich irgendwo als freiwillige Helferin zu melden, weil du jetzt „so viel freie Zeit“ hast.
  • Man kann Kondensmilch auch selber herstellen. Man sollte sich allerdings während der Zubereitung nie weiter als zwanzig Zentimeter vom Kochherd entfernen, sonst brennt das Zeug an. 
  • Nur weil dein Kind eine ausgeprägte nostalgische Ader hat, bedeutet das noch lange nicht, dass es sich zum Geburtstag nicht die allerneusten Gadgets wünscht. Klassische Musik und Bilder von Barockpalästen lassen sich problemlos mit modernster Technik vereinbaren.

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Vielleicht

Vielleicht hätte ich heute über meine Tomaten geschrieben, denen es vollkommen egal ist, dass ich mich nicht an alle Regeln der Gärtnerkunst gehalten habe und die nun reichlich Früchte tragen, auch wenn mein Tomatenbeet derzeit eher einem Urwald gleicht.

Vielleicht hätte ich auch darüber geschrieben, dass die fünf Kinder, die in kurzen Abständen in unser Leben gepurzelt sind, nun auch in kurzen Abständen immer selbständiger werden, so dass ich plötzlich das Gefühl habe, nicht mehr richtig ausgelaugt zu sein.

Vielleicht hätte ich auch über die Seniorinnen gewettert, die heute ohne jeden Grund unsere Kinder zurechtgewiesen haben, oder ich hätte von der Verkäuferin geschwärmt, die ganz begeistert war, weil „die Fünf ja alle ihrer Mama gleichen“.

Vielleicht hätte ich darüber geklagt, wie alt ich mich fühle, weil morgen mein Neffe, den ich doch eben noch zum hundertsten Mal mit Stofftier und Schoppenflasche ins Bett zurückgeschickt habe, Hochzeit feiert. 

Vielleicht hätte ich auch ganz aufgeregt davon berichtet, dass heute die zwei Bücher, an denen ich in den vergangenen Monaten gearbeitet habe, in Druck gehen.

Aber über all dies mag ich nicht berichten, denn ich ärgere mich so masslos über die peinlichen Versuche, die Fremdenfeindlichkeit in der Schweiz herunterzuspielen und ich weiss genau, dass ich darüber schreiben müsste, wie widerlich und beschämend ich das alles finde, aber mir fehlen dazu momentan einfach die Worte. 

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Verzweifeln oder…?

Du liest im „Spiegel“, die Deutschen Kinder würden immer stärker unter Schulstress leiden und aus deinem Familienalltag weisst du, dass es in der Realität noch viel schlimmer ist als es auf dem Papier daherkommt. In den Medien – ob gedruckt oder elektronisch – präsentieren die Parteien von links nach rechts ihre Ideen, wie den Familien am besten geholfen sei und du ärgerst dich grün und blau, weil du genau weisst, wie wenig das Geschwätz mit der Realität zu tun hat. Sie könnten ebenso gut alle den Mund halten, weil das, was am Ende rauskommt, doch wieder nur ein halbherziger Kompromiss sein wird, der zwar keinem schadet, aber auch keinem hilft. Wo immer dein Blick auch hinfällt – ob es nun um Familie, Umwelt, Atomausstieg, Schule oder sonst etwas, was dir am Herzen liegt geht -, siehst du Halbherzigkeit, viel Gerede und wenig Wirkung. Einzig in der Asylpolitik werden klare Worte gesprochen, aber es sind nicht die Worte, die du hören willst, sondern die Worte, die dir kalte Schauer über den Rücken laufen lassen. 

Zuweilen überkommt dich die blinde Wut, dann wieder tiefe Traurigkeit, immer mal wieder auch Resignation. Ganz selten meldet sich auch diese innere Stimme zu Wort, die dir sagt, wenn du schon weder Zeit noch Kraft zum Mitgestalten aufbringen könnest, solltest du doch zumindest zur Feder greifen und gegen den ganzen Wahnsinn anschreiben. Bloss, wie soll das gehen, wo sich der Wahnsinn doch schneller ausbreitet als die Magen-Darm-Seuche?

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