Elterliches Dilemma

Reissen wir Eltern Witze, wissen sie inzwischen, dass sie wenigstens so tun sollten, als fänden sie uns lustig, weil wir sonst wieder eine Schnute ziehen.

Erteilen wir Aufträge, werden die in der Regel ernst genommen und in – grob geschätzt – 75 Prozent der Fälle auch ausgeführt.

Wenn einer von uns beinahe platzt vor lauter Zorn, dann kuschen sie.

Unsere politischen Ansichten können sie inzwischen fast fehlerfrei nachbeten und mir scheint, die zwei Ältesten seien auf bestem Wege, die Dinge gleich zu sehen wie wir.

Was wir immer und immer wieder gepredigt und vorzuleben versucht haben, wird allmählich in ihrem Handeln sichtbar.

Manchmal lassen sie sich bereitwillig von uns helfen und an ganz guten Tagen sind sie sogar gewillt, einen Rat von uns anzunehmen.

Fühlen sie sich von uns schlecht behandelt, dann bringen sie das auf den Tisch. Nicht immer so freundlich und nett, wie wir uns das wünschen würden, aber doch so offen und ehrlich, dass wir es in der Regel annehmen können, nachdem wir ein paar mal leer geschluckt haben. 

Es soll sogar vorkommen, dass sie hinter unserem Rücken gut über uns reden.

Man könnte also durchaus sagen, sie würden auf uns hören und uns ernst nehmen.

Sagen wir jedoch zu einem von ihnen: „Kind, in diesem Bereich hast du wirklich Talent. Das macht dir so schnell keiner nach. Du dürfest durchaus mutiger sein und zweigen, was du drauf hast“, kommt nur ein verständnisloses „Ach, das sagt ihr jetzt nur, weil ich euer Kind bin und ihr mich einfach toll finden müsst“ zurück. Und dann wird sofort das Thema gewechselt, nicht dass am Ende noch einer auf die Idee käme, darüber zu reden, wie man das Licht unter dem Scheffel hervorholen könnte.

Himmel, wir drohen ihnen doch nicht, sie zu einem Talentwettbewerb anzumelden! Wir wollen sie doch nur ermutigen, die Dinge zu pflegen, die ihnen in die Wiege gelegt worden sind.

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Traditionsvergessen

Nein, deswegen wird die Welt nicht untergehen. Sie hätte ja in diesen Tagen wahrlich genügend andere Gründe, sich in den Abgrund zu stürzen, um dem ganzen Elend ein Ende zu setzen, da wird es ihr also herzlich egal sein, was „Meiner“ und die Kinder aus meiner sorgfältig geplanten Guezli-Aktion gemacht haben. 

Ein friedliches gemeinsames Backen zum vierten Advent hätte es werden sollen. Mailänderli, Chräbeli, Zimtsterne und Spitzbuben. Mindestens. Vielleicht auch noch zwei oder drei Sorten mehr, je nachdem, wie lange die Freude anhalten würde. Ein netter Familienanlass, damit wir wenigstens in den eigenen vier Wänden ein paar Stunden heile Welt hätten, wo da draussen doch schon alle am Durchdrehen sind.

Tja, und dann kam am Donnerstag dieser Käfer, der mich so sehr ausser Gefecht gesetzt hat, dass die Familie am Freitagnachmittag besorgt an meinem Bett stand und wissen wollte, was bloss los sei mit mir, ich würde nur noch wirres Zeug von mir geben. Muss also wirklich ziemlich unverständlich gewesen sein, was ich da gebrabbelt habe, denn zumindest die Minderjährigen im Hause sind ja schon längst der Meinung, die Hälfte dessen, was aus meinem Mund komme, ergebe keinen Sinn. Weil ich inzwischen zwar wieder in der Lage bin, klare Gedanken zu fassen, aber noch zu schwach bin, um mit Wallholz und Teigschüssel zu hantieren, musste die Weihnachtsbäckerei ohne mich stattfinden.

Nun ist es leider so, dass „Meiner“, der sonst ein ausgesprochen vielseitiger und talentierter Mensch ist, vom Hochhalten heiliger Familientraditionen keine Ahnung hat. Und so wurde mein Backprogramm erst einmal um die Hälfte gekürzt – von den Suppléments, von denen ich geträumt hatte, wollen wir gar nicht erst zu reden anfangen. Da die Suche nach den Ausstechern, die nach der Küchenrenovation natürlich nicht mehr dort sind, wo sie einmal waren, nicht sogleich von Erfolg gekrönt war, wurde der Mailänderliteig halt mit Messern traktiert. Und weil man von einem vielbeschäftigten Menschen nicht erwarten kann, dass er ein Guezlirezept zu Ende liest, wanderten die Zimtsterne schon heute in den Ofen, wo sie doch eigentlich über Nacht hätten trocknen müssen. Kein schöner Anblick, das Ganze, muss ich leider sagen.

Damit kann ich leben, denn bis ich diesen fiesen Käfer endlich bezwungen habe, werden die missratenen Guezli ohnehin alle schon aufgegessen sein und ich muss sie mir nicht mehr ansehen. Bedenklicher finde ich, dass es denen da draussen vor der Krankenzimmertür einen Heidenspass gemacht hat, eine der schönsten Weihnachtstraditionen mit dem Messer zu taktieren. 

Zum Glück bietet mir die heutige Sonntagspresse wieder genügend Anlass, mir echte Sorgen zu machen. Sonst würde ich mich am Ende noch über meine Lieben ärgern und dann werde ich nie und nimmer rechtzeitig gesund, um wenigstens noch ein paar anständige Anis-Chräbeli zu backen. 

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Lest heute wiedermal anderswo

Wir versuchen gerade, endlich in Herbstferienstimmung zu kommen, darum gibt’s heute nur den einen Text von mir und zwar auf hier, auf swissmom.ch.

 

17 Gebote für reisende Teenager

Egal, ob Klassenlager oder Ferienwoche in der Toscana, einige Gebote sollten reisende Teenager beherzigen:

1. Du sollst keinen gestellten Wecker zurücklassen. Erst recht keinen, der ab fünf Uhr früh alle 30 Minuten aufs Neue losgeht. (Dieses Gebot gilt auch für Teenager mit erlesenem Musikgeschmack, die sich von Johann Sebastian Bach, Mahalia Jackson und anderen Grössen wecken lassen.)

2. Wenn du schon Gebot Nummer 1 nicht einhältst, dann sollst du deinen Eltern wenigstens den Code für dein Gerät geben, damit sie den Wecker bis zu deiner Rückkehr zum Schweigen bringen können. 

3. Du sollst nicht die einzige sich im Haushalt befindliche volle Zahnpastatube mit in die Ferien nehmen.

4. Da du Gebot Nummer 3 ohnehin brichst: Du sollst nach deiner Rückkehr die jetzt natürlich nicht mehr ganz volle Zahnpastatube umgehend zurück ins Badezimmer stellen, damit sie der Tube, die deine Eltern in der Zwischenzeit gekauft haben, Gesellschaft leisten kann.

5. Da du dich selbstverständlich auch nicht an Gebot Nummer 4 hältst: Du sollst die jetzt natürlich nicht mehr ganz volle Zahnpastatube nicht bis zum nächsten Aufräumanfall in deinem Zimmer vergammeln lassen.

6. Du sollst nicht erst im letzten Moment vor der Abreise daran denken, dass du noch Kleider waschen musst.

7. Weil du Gebot Nummer 6 ohnehin übertreten wirst: Du sollst deinen Ärger über die zu langsam trocknende Wäsche nicht an deiner Mutter auslassen.

8. Du sollst erst recht nicht von deiner ziemlich grün eingestellten Mutter fordern, sie solle sich endlich einen Tumbler zulegen. 

9. Du sollst nicht klammheimlich das Handykabel deines Bruders mitnehmen.

10. Du sollst die allerbeste, bei sämtlichen Familienmitgliedern beliebte Haarbürste zu Hause lassen. 

11. Du sollst die Frage „Hast du uns vermisst?“ nicht wahrheitsgetreu beantworten, es sei denn, du hättest vor lauter Heimweh die ganze Woche nichts essen mögen. 

12. Du sollst nicht behaupten, du hättest nichts mehr anzuziehen und müsstest ganz dringend shoppen gehen, ehe du deinen Koffer ausgepackt hast. (Dieses Gebot gilt auch dann, wenn dein Koffer drei Monate nach deiner Rückkehr noch immer in deinem Zimmer vor sich hin gammelt.)

13. Du sollst den Proviant, den du auf der Hinreise nicht hast aufessen mögen, nicht mehr mit nach Hause nehmen. 

14. Du sollst keine Käfer und Seuchen aus dem Klassenlager mit nach Hause bringen.

15. Du sollst deine Packliste vor der Abreise sehr genau durchlesen und überprüfen, ob du alles dabei hast.

16. Weil du auch Gebot Nummer 16 missachtest: Du sollst nach deiner Heimkehr nicht jammern, du hättest es ohne Regenjacke, Sonnencreme und Shampoo kaum ausgehalten. 

17. Du sollst dich nach der Rückkehr nicht über Schlafmangel beklagen. Es hat dir keiner befohlen, bis tief in die Nacht mit den anderen zu quatschen.

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So, wie wir nie sein wollten…

Schwimmkurs-Saison, wie wir sie uns vorstellen:
Am späten Mittwochnachmittag karren wir die Kinder, die noch Schwimmunterricht benötigen, zum Schwimmbad, sorgen dafür, dass sie sich umziehen und machen uns dann aus dem Staub, um zu erledigen, was sich innerhalb von vierzig Minuten eben so erledigen lässt. Pünktlich zum Kursende sind wir wieder zurück, um die nassen Kinder in Empfang zu nehmen. Vielleicht schaffen wir es gelegentlich auch mal ein paar Minuten früher, so dass wir kurz zuschauen können, wie das so läuft im Schwimmkurs.

Schwimmkurs-Saison, wie sie sich das Prinzchen – unser letzter Nochnichtganzschwimmer – vorstellt:
Am späten Mittwochnachmittag karren „Meiner“ und ich das Prinzchen zum Schwimmbad, begleiten ihn zum Umziehen, setzen uns dann zu allen anderen Eltern an den Rand des Schwimmbeckens, um jede einzelne Bewegung unseres selbstverständlich überaus talentierten und zum Olympiasieger prädestinierten Wunderkindes zu bewundern. Nach dem Kurs gibts haufenweise Lob und ein Brötchen für den völlig entkräfteten zukünftigen Superstar.

Wie der Kompromiss aussieht:
„Meiner“ lädt mich auf dem Weg zum Schwimmbad bei der Migros ab, damit ich schon mal mit dem Wocheneinkauf anfangen kann und karrt dann das Prinzchen zum Kursort, wo das Kind sich selbständig umziehen und in die Schwimmhalle begeben muss. Danach kaufen „Meiner“ und ich gemeinsam ein und weil wir inzwischen so geübt sind darin, unseren Einkaufswagen mit dem Nötigen zu füllen, schaffen wir es gerade noch, während der letzten zehn Minuten des Schwimmkurses mit allen anderen Eltern am Beckenrand zu sitzen, um so zu tun, als würden wir jede einzelne Bewegung unseres ganz und gar durchschnittlich begabten Nochnichtganzschwimmers zu bewundern.

Das Prinzchen ist glücklich mit diesem Kompromiss, denn so muss er nicht das einzige Kind in der Gruppe sein, das ohne elterliche Bewunderung schwimmen lernt. Wir hingegen fühlen uns wie die letzten Deppen, weil wir eigentlich der Meinung sind, unser Kind könne auch ohne unser andauerndes „Bravo, gut gemacht, Prinzchen!“ lernen, sich über Wasser zu halten.

Und trotzdem sitzen wir da und starren mit verzücktem Lächeln aufs Wasser…

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Darmgrippe-Profi

Neulich eine Erinnerung aus längst vergangenen Tagen: Es war einer dieser endlosen Dienstage. Dienstage waren bei uns immer endlos, denn dann traf sich „Meiners“ Lehrerkollegium zu nicht immer produktiven Sitzungen. Als unsere Kinder noch klein waren, hasste ich diese Dienstage wie die Pest, denn man konnte nie wissen, wann und in welcher Stimmung „Meiner“ nach Hause kommen würde. Einziger Lichtblick waren die Abende, an denen er mir von besonders wichtigen Sitzungstraktanden berichten konnte. Also zum Beispiel von der Episode, als zwei reich verheiratete, kinderlose Lehrerkolleginnen über die Frage debattieren wollten, ob sie auch verpflichtet seien, den vollen Jahresbeitrag von 25 Franken an die Kaffeekasse zu leisten, wo sie doch ihren Kaffee stets schwarz und ohne Zucker tränken. 

Aber kommen wir zurück zu diesem elenden Dienstag, den ich neulich auf einmal wieder so lebhaft in Erinnerung hatte. Karlsson war damals noch klein, Luise sehr klein und der FeuerwehrRitterRömerPirat winzig. Mitten in diese ohnehin schon anstrengende Situation platzte die Magen-Darm-Seuche, die mich mit heftigen Magenkrämpfen und Schwindelanfällen buchstäblich in die Knie zwang. Ich konnte ja meine Kinder keinen Augenblick aus den Augen lassen und so kniete ich jammernd und stöhnend auf dem Fussboden, versuchte die Knöpfe im Griff zu behalten und sehnte den Moment herbei, in dem „Meiner“ endlich auf dem weissen Pferd durch die Tür geritten käme, um mich zu erlösen. (Ich hab’s ja gewöhnlich nicht so mit schwächelnden Prinzessinnen und heldenhaften Prinzen, aber in diesem Fall konnte ich nicht anders.) Nun, irgendwann war er endlich da, ich überliess ihm die Kinder und gab mich ganz den Käfern hin, bis ich am nächsten Morgen wieder mit rebellierendem Magen und weichen Knien zum Dienst antrat.

So handgestrickt ging das damals bei uns noch zu und her. Heute handhabe ich so eine Magen-Darm-Geschichte natürlich viel professioneller. Selbstverständlich lasse ich mich schon längst nicht mehr überraschen von so etwas, denn heutzutage schleppen mir die Kinder – die ja immer unbedingt haben müssen, was alle andern auch haben – die Käfer ins Haus. Nach zwei oder drei Patienten weiss ich ziemlich genau, mit wie vielen Krankheitstagen zu rechnen ist und wie lange der Käfer braucht, um vom einen zum anderen zu wandern. So kann ich ziemlich präzise abschätzen, wann und wie lange es mich erwischen wird. Ausserdem habe ich heute natürlich viel mehr Zeit, auch nur beim kleinsten Bauchgrimmen in mich hinein zu hören, um zu spüren, was die Ursache für mein Unwohlsein sein könnte. Ein Luxus, den ich mir früher nicht erlauben konnte. 

Auf diese Weise vorgewarnt muss ich nur noch auf das erste Schwindelgefühl warten, das mir sagt, dass mir maximal 12 Stunden bleiben, ehe mich der Käfer ins Bett zwingt. Dies ist der Moment, in dem ich a) umgehend die Nahrungszufuhr einstelle, um mir selber zu ersparen, was den Kindern so zugesetzt hat und b) alles, was gerade ansteht, erledige. Also  zum Beispiel die fast überreifen Aprikosen zu Confiture verarbeiten, die Einmachgurken einkochen, den Sauerteig für Montag bereitstellen, die Küche aufräumen und im Garten das Allernötigste erledigen. Dann bleibt mir gerade noch genug Zeit, den Blogtext, der mir während der Arbeit im Kopf herum geschwirrt ist, in die Tasten zu hauen, ehe ich ausser Gefecht gesetzt bin.

Weil „Meiner“ inzwischen ähnlich professionell ist im Umgang mit den Käfern, stimmt er seine Seuchentage perfekt auf meine ab, so dass er bereits wieder halbwegs im Strumpf ist, wenn ich mich gezwungen sehe, das Bett aufzusuchen.

Selbstverständlich legen wir solche Episoden inzwischen auch stets in die Nähe des Wochenendes. Den Anfängerfehler, die Magen-Darm-Seuche an einem Dienstag an uns heranzulassen, begehen wir schon längst nicht mehr. Dienstag ist nämlich noch immer der Tag der Lehrersitzungen. (Da aber diese Sitzungen heutzutage von kompetenten Menschen geleitet werden, sind sie nicht mehr ganz so endlos, dass ich sehnsüchtig darauf warten müsste, bis „Meiner“ auf dem weissen Pferd über die Schwelle geritten kommt. Und inzwischen wäre sogar das eine oder andere Kind in der Lage, mich zu vertreten, bis er da ist, um den Laden zu übernehmen.)

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Getrennte Fernsehzeiten

In letzter Zeit kommt es mir vor, als herrschten bei uns zu Hause süditalienische Verhältnisse. Andauernd läuft die Glotze, die Theme-Songs der einzelnen Sendungen kenne ich schon fast auswendig, immer wieder werde ich herbeigerufen, weil die Fernbedienung streikt. Was ist bloss schief gelaufen bei uns? Sind „Meiner“ und ich auf unsere alten Tage etwa unseren Prinzipien untreu geworden? Sind wir ermüdet von dem ständigen Kampf um die Zeitbeschränkung? Haben wir resigniert im Kampf gegen die Werbespots, die Wünsche wecken, die kein Kind von sich aus haben würde?

Nicht unbedingt. Zwar sind wir nicht mehr ganz so streng wie früher, aber im Grossen und Ganzen gelten die gleichen Regeln wie immer schon: Eine oder zwei Folgen einer Kinderserie, dann ist Schluss. Werbung wird nach Möglichkeit umgangen, ganze Filme gibt es nur bei speziellen Gelegenheiten wie Krankheit, Kinoabend oder endlosen Regenperioden. 

Aber warum, um Himmels Willen, dröhnt trotzdem andauernd die Glotze im Wohnzimmer? Ganz einfach: Weil Prinzchen, Zoowärter und FeuerwehrRitterRömerPirat nicht gleich ticken wie Luise und Karlsson tickten, als sie in dem Alter waren. Die beiden Grossen schauten nämlich immer alles gemeinsam. Zuerst „Bob de Sou“… ääähm, ich meine „Bob de Boumaa“, später „Angelina Ballerina“ und schliesslich „Meine Schwester Charlie“. Auch Kinoabende waren leicht zu organisieren. „Nemo“ kam nicht in Frage, denn das war zu traurig, dafür kannten sie „Ein Zwilling kommt selten allein“ fast auswendig. Erst seit einiger Zeit glotzen Karlsson und Luise getrennt, er vorzugsweise schwedische Krimis und Biopics, sie himmeltraurige Teenie-Dramen. 

Wie das bei den drei Jüngeren entwickeln wird, will ich mir gar nicht ausmalen, denn schon heute bringen sie es nicht fertig, in friedlicher Eintracht mit glasigem Blick vor der Mattscheibe zu sitzen. Das Prinzchen liebt „Tim und Struppi“, der Zoowärter hasst sie und der FeuerwehrRitterRömerPirat mag sie nur, wenn sich gerade sonst nichts anbietet. Der Zoowärter liebt Pokémons, das Prinzchen hasst sie und der FeuerwehrRitterRömerPirat findet sie zwar lustig, zöge aber eigentlich „Puss in Boots“ vor. Manchmal möchte das Prinzchen aber auch Sport schauen, doch seine beiden Brüder würden nie und nimmer ihre kostbaren Fernsehminuten für so einen Mist opfern. Und dann erfrecht sich der FeuerwehrRitterRömerPirat gar hin und wieder, etwas sehen zu wollen, was erst ab zwölf freigegeben ist. 

Ich habe also die Wahl: Entweder, ich spiele jedes Mal die Mediatorin, um zwischen den verschiedenen Parteien zu vermitteln, oder ich gestatte getrennte Fernsehzeiten, damit jeder nach seiner Façon seine Zeit verschwenden glücklich werden kann. 

Darum kommt es mir vor, als lärme die Glotze bei uns schon fast so häufig wie bei Schwiegermama.

Na ja, immerhin sitzt bei uns jeweils einer da und schaut zu. Bei Schwiegermama plärrt das Gerät meistens ganz alleine vor sich hin. 

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Die Flut ist da

Das Schuljahr ist gerade mal zwei Tage alt und schon türmen sich bei uns wieder die Papiere. Alle haben sie uns etwas mitzuteilen. Der Schulleiter, die Hausaufgabenhilfe, die Kinderbetreuer, die lieben Menschen, die in den Herbstferien Zeit opfern werden, um die Kinder zu beschäftigen, die Gemeinde… Sie alle wollen sicher gehen, dass wir lesen, was sie uns zu sagen haben, also bekommt jeder unserer drei Primarschüler die Papiere in die Hand gedrückt. Ergänzend dazu natürlich noch einige Briefe, in denen die Klassenlehrer ihre Infos weitergeben. (Also die einzigen Zettel, die wirklich von Bedeutung wären, die aber leider in der Flut unterzugehen drohen.)

Ich find’s ja wirklich wichtig, dass man uns informiert und gegen den einen oder anderen Zettel, der hin und wieder ins Haus flattert, hätte ich ja auch nichts einzuwenden, aber wenn ich mich dran mache, den ganzen Stapel zu sortieren – „aufbewahren“, „nur ein Exemplar aufbewahren und die anderen entsorgen“, „unterschreiben und zurück in die Schule“, „ein Teil zurück in die Schule, den Rest aufbewahren“, „in den Kalender eintragen und entsorgen“, „keines Blickes würdigen und entsorgen“ – dann frage ich mich zuweilen schon, ob sich unsere Primarschule nicht vielleicht wenigstens ein winziges Schrittchen in Richtung digitales Zeitalter bewegen könnte. 

Na ja, vielleicht wäre die Facebook-Meldung „Lehrer xy hat dich zu seiner Veranstaltung ‚Elternabend 2016‘ eingeladen“ etwas gar informell, aber gesehen würde sie mit Sicherheit von sämtlichen Eltern. Wo doch Facebook schon längst zum weltumspannenden Mami-Treff verkommen ist. 

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Gerätechaos

Eine Sache, die wir nicht beachtet haben, als wir den Entscheid fällten, mehr als die durchschnittlichen 1.54 Kinder zu bekommen:

Zu jedem Kind kommt früher oder später ein Handy

zu jedem Handy kommt eine Nummer

zu jeder Nummer ein Anbieter

zu jedem Anbieter ein unüberschaubares Angebot an günstigen und weniger günstigen Abos und Prepaid-Deals.

Wenn du dich da mal durchgekämpft hast, fängt es erst richtig an mit dem Chaos, denn natürlich gibt es da noch

…unterschiedliche Betriebssysteme und somit dauernde Unklarheit, welchem Familienmitglied man Zugang zu welchen heruntergeladenen Inhalten verschaffen kann.

…E-Mail-Adressen, die im modernen Teenager-Alltag nur noch äusserst selten gebraucht werden, was dazu führt, dass immer im entscheidenden Moment das passende Passwort fehlt, weshalb plötzlich wieder Mamas Erinnerungsvermögen gefragt ist. (Als ob Mamas Gehirn ein Computer wäre, der solche Sachen stets abrufbereit hat. Und als ob Teenager ihren Eltern ihre Passwörter bekannt geben würden. Aber Mütter können selbstverständlich auch ins Verborgene sehen.)

…Ladekabel, die immer entweder unauffindbar, inkompatibel oder defekt sind.

…Akkus, die meist dann leer sind, wenn eigentlich ein anderer ganz dringend das einzige auffindbare, kompatible und intakte Ladekabel bräuchte, um den eigenen leeren Akku aufzuladen.

…den Wunsch nach einer Hülle, die nicht nur hübsch und unverwüstlich ist, sondern auch Schutz vor jedem nur denkbaren Missgeschick bietet, eine Hülle also, die es so nicht gibt, weshalb die Suche danach auch dann nicht zu Ende ist, wenn das Handy von einer halbwegs tauglichen Hülle umhüllt ist.

Darüber, welche Fragen der Zugang zu den grenzenlosen Weiten des Internets mit sich bringt, wollen wir gar nicht erst zu reden anfangen.

Und auch nicht darüber, dass ich bereits jetzt, wo erst drei von fünf mobil telefonieren, komplett den Überblick über die in unserer Familie versammelten Gerätschaften verloren habe. 

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Stundenplanwunder? – Brauche ich nicht mehr

Vor mir liegen – wie jedes Jahr um diese Zeit – die Stundenpläne meiner Kinder und wie jedes Jahr dauert es eine Weile, bis ich durchblicke, wer wann Unterricht hat, wer möglicherweise nur alle zwei Wochen an einem bestimmten Nachmittag antraben muss und wann ich meine Arbeitstage einplanen soll. Es ist noch gar nicht so lange her, dass ich inständig hoffte, wenigstens einen Tag pro Woche zu bekommen, an dem nachmittags alle fünf Kinder aus dem Haus sind und ich von Morgen bis Abend durcharbeiten kann. So unwahrscheinlich war das Eintreten dieser glücklichen Fügung, dass ich sie „Stundenplanwunder“ nannte. 

Wie sich herausstellt, kann ich in Zukunft auf das Stundenplanwunder pfeifen, denn das kommende Schuljahr sieht folgendermassen aus:

Montagnachmittag: Alle in der Schule, ausser Prinzchen und ich (Der junge Herr zeigt derzeit herzlich wenig Interesse an mir, also wird er vermutlich andauernd zu Grossmama abhauen.)

Dienstagnachmittag: Alle in der Schule, ausser Luise und ich (Aber Luise zählt nicht so richtig, denn die will an ihrem einzigen schulfreien Nachmittag wohl kaum mit mir abhängen, folglich wird Dienstag einer meiner Arbeitstage sein.)

Mittwochnachmittag: Alle schulfrei, ausser Luise 

Donnerstagnachmittag: Alle in der Schule, ausser Zoowärter, Prinzchen und ich

Freitagnachmittag: Alle in der Schule, ausser „Meiner“ und ich (Wobei „Meiner“ freitags immer so viel um die Ohren hat, dass dies wohl mein zweiter Arbeitstag wird.)

Höchste Zeit also, sentimental zu werden und bei jeder Gelegenheit zu seufzen: „Ich sehe sie ja kaum noch, meine Kinder. Ach, wie fühlt sich das leer an…“

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