Schwimmbadmenschen

An kaum einem anderen Ort zeigen sich die Menschen so ungeschminkt wie im Schwimmbad. Die folgenden Exemplare haben es mir besonders angetan:

  • Die kleine Nervensäge: Dieses Kind, das dein Kind auf dem Schulweg fast täglich zum Heulen bringt, das unablässig nach Wegen sucht, ihm eins auszuwischen und keine Mühen scheut, ihm das Leben schwer zu machen. Jetzt aber, während der hochsommerlichen Spielkameradenknappheit, heftet es sich an die Fersen deines Kindes, kaum hat es das Drehkreuz am Schwimmbadeingang passiert. Interessant, wie toll es sich plötzlich mit deinem Kind zu unterhalten weiss. Interessant aber auch, wie es schmollen kann, wenn dein Kind mal keine Lust hat, nach seiner Pfeife zu tanzen und stattdessen Zeit mit seiner Familie verbringt. 
  • Das Kiosk-Ekel: Egal, wie selten du dich zum Kiosk verirrst, er ist immer dort. Mal beklagt er sich, die Pommes Frites seien zu kalt, mal schimpft er über unerträglich lange Wartezeiten und wenn er ausnahmsweise keinen Grund zum Meckern findet, belästigt er das Personal mit sexistischen Sprüchen. Ein richtiger Schatz also, den man einfach gern haben muss. 
  • Die Lederhaut: Irgendwann, so etwa in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts, hat ihr jemand gesagt, wie unglaublich sexy sonnengebräunte Haut sei und seither verpasst sie keine Gelegenheit, sich in der Sonne zu rösten. Für eine möglichst streifenfreie Bräune muss der Badeanzug knapp bis inexistent sein, Kettenrauchen unterstützt die regelmässige Faltenbildung. Das Schwimmbecken meidet sie ebenso konsequent wie die Warnbroschüren, die ihr nun schon seit gut zwanzig Jahren die Freude am Sonnenbaden vermiesen wollen. 
  • Die „Ich treibe mich bestimmt nicht im Babybecken rum“-Mama: Sie glaubt doch allen Ernstes, sie könnte sich ersparen, was wir alle über uns haben ergehen lassen müssen: Die quälenden Stunden am seichten Wasser, das nicht allein von der Sonneneinstrahlung so warm werden konnte, wie es ist. Mit Vorliebe planscht sie mit ihrem Baby im Auffangbecken vor der Rutschbahn, natürlich in Begleitung anderer Mamas ihrer Sorte, denn sonst würde sie den aktuellen Tratsch verpassen. Hier ist sie der glücklichste Mensch auf Erden, zumindest solange keines jener grässlichen Schulkinder angerutscht kommt und ihrem kleinen Liebling rücksichtslos Chlorwasser ins Äuglein spritzt. 
  • La Famiglia: Sie besteht aus Mama, Papa, Nonno, Nonna und Kleinkind, das – mit Schwimmreifen, Schwimmflügel, Schwimmweste und Badenudel ausgestattet -, davon überzeugt werden soll, dass Wasser eine wunderbare Sache ist. Nach etwa einer halben Stunde und zahlreichen „Attenzione!“- und „Bravo!“-Rufen ist endlich der kleine Zeh im Wasser, diese Erfahrung ist aber meist so erschreckend, dass nur eine grosse Portion Pommes Frites mit ganz viel Ketchup den Schock lindern kann. (La Famiglia muss übrigens nicht zwingend aus Europas Süden stammen, ich beschreibe hier lediglich das aktuellste Drama dieser Art, das sich vor meinen Augen abgespielt hat.)
  • Der Opa: Er holt nach, was er bei seinen Kindern verpasst hat und zwar mit vollem Einsatz. Mit der Ernsthaftigkeit eines Offiziers unterweist er seine Enkel in der Kunst des Schwimmens, Tauchens und Springens, seine mit kräftiger Stimme vorgetragenen Anweisungen sind im ganzen Schwimmbad zu vernehmen. Wer es wagt, das Exerzieren zu stören, bekommt den Kasernenhofton zu hören. 
  • Die alternde Statue: Das männliche Pendant zur Lederhaut. Verbringt gleich viel Zeit an der prallen Sonne wie seine Kollegin, ist aber gewöhnlich Nichtraucher und bis in die letzte Faser seines Körpers durchtrainiert. Da liegt er in knapper Badehose an der Sonne, um der Menschheit zu zeigen, dass Alter und Fitness einander nicht ausschliessen. Fragt sich bloss, wo er sich seine gestählten Muskeln holt, wo er sich doch nur bewegt, um sich vom Bauch auf den Rücken und ein paar Stunden später wieder zurück zu drehen. 
  • Die Poolside-Mama: Um nichts in der Welt würde sie ihren Nachwuchs, der schon längst schwimmen kann, aus den Augen lassen, aber nass werden geht nicht, denn sonst könnte die Frisur leiden, oder der Nagellack oder sonst irgendwas. Also sitzt sie mit Leidensmiene neben dem Schwimmbecken, sorgsam darauf bedacht, nicht einen einzigen Spritzer Wasser abzubekommen, wenn Söhnchen oder Töchterchen ins Wasser hüpft. 
  • Tussi in the making: Von frühester Kindheit an hat ihr die Mama weis gemacht, dass es im Leben einzig und alleine darauf ankommt, die Aufmerksamkeit eines männlichen Wesens – und sei dieses noch so mittelmässig – zu erheischen und jetzt ist sie endlich kurvig genug, um es ihrer Mama gleichzutun. Falls der knappe Bikini, der provokative Hüftschwung und das Dauerkreischen ihre Wirkung verfehlen, gibt sie schon mal vor, die Wasserströmung habe ihr das Höschen ausgezogen, um endlich die Neugierde eines am Beckenrand lauernden Aufreissers in the making (siehe unten) zu wecken.
  • Aufreisser in the making: Von frühester Kindheit hat der Papa ihm weisgemacht, dass es im Leben einzig und alleine darauf ankommt, die Aufmerksamkeit eines weiblichen Wesens – und sei dieses noch so mittelmässig – zu erheischen und jetzt ist er endlich muskulös genug, um es seinem Papa gleichzutun. Falls der gestählte Body, das gockelhafte Getue und die grenzwertigen Sprüche ihre Wirkung verfehlen, muss er manchmal auch ein wenig grabschen, um endlich eine Tussi in the making zu angeln. 
  • Die Kaffeetante: Keine Ahnung, warum sie im Schwimmbad ist, denn eigentlich tut sie den lieben langen Tag nichts anderes, als mit ihren Freundinnen zu quatschen und Kaffee zu trinken, meistens sogar angezogen. Mit dem Geld, das sie am Schwimmbadkiosk liegen lässt, könnte sie sich locker drei Wochen Luxusferien in der Karibik leisten. 

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Kinderfrei-Dilemma

Noch nie war es so einfach, kinderfrei zu bekommen. Nummer zwei, drei und vier sind im Jungscharlager, also war nur eine kurze Lohnverhandlung mit Karlsson erforderlich, um die Prinzchenbetreuung zu regeln. Karlssons Bedingungen: Der Stundenlohn – der auf gar keinen Fall unter dem liegen darf, was wir vor Jahren einem grottenschlechten Babysitter bezahlt haben -, sollte vorzugsweise in Naturalien ausbezahlt werden. Er hat da nämlich neulich bei eBay eine von der heiligen Edith signierte Single aufgestöbert, deren Preis den Rahmen des Taschengeldes sprengt. Wir müssen nur noch herausfinden, ob die Unterschrift wirklich echt ist. (Himmel, in welchem Erziehungskurs bereiten sie dich auf so etwas vor? Was man mit widerspenstigen Trotzköpfen anstellt, das sagen sie dir, aber keiner erklärt dir, wie du das Gekritzel einer verblichenen Chansonnière auf seine Echtheit überprüfst. Dabei kann es durchaus eine mittelgrosse familiäre Krise auslösen, wenn du nur dämlich sagst: „Also, da kann ich dir jetzt wirklich nicht weiterhelfen. Vielleicht ist die Unterschrift echt, vielleicht auch nicht. Auf alle Fälle finde ich das Ding ganz schön teuer.“) 

Nun, wie dem auch sei, wir haben morgen kinderfrei und das Prinzchen freut sich wie verrückt darauf, mal einen ganzen Tag ohne uns, dafür alleine mit Karlsson, dem grossen Bruder, den er ähnlich vergöttert wie dieser die kleine Sängerin aus Paris, zu verbringen. Blöd ist einfach, dass „Meiner“ und ich keine Ahnung haben, was wir morgen anstellen sollen. Gewöhnlich müssen wir ja keine Sekunde überlegen, denn in unserem Wortschatz lautet das Synonym für „kinderfrei“ schlicht und einfach „Saunatag“. Aber Sauna, wenn es draussen wärmer ist als in der Schwitzhütte? Sowas kommt nicht mal uns in den Sinn. Der freie Tag lässt sich aber auch nicht einfach auf kühlere Zeiten verschieben, denn a) weiss kein Mensch, ob die je wieder kommen, b) kommen Nummer zwei, drei und vier am Samstag wieder zurück und Karlsson wird ganz bestimmt nicht auf die ganze Truppe aufpassen und c) würde er uns wegen Vertragsbruchs anklagen, wenn wir morgen früh sagten: „Wir bleiben nun doch lieber zu Hause…“

So sind wir also gezwungen, uns ein Alternativprogramm auszudenken. „Meiner“ hat vorhin etwas von „wandern zwischen Gewässern“ gebrabbelt. Ich habe vorerst mal mit einem zweideutigen „Hmmmm“ geantwortet, aber wenn ich nicht ganz schnell eine bessere Idee liefere, muss ich mir am Ende noch eine handfeste Ausrede ausdenken und dafür ist es eindeutig zu heiss. Vorschläge sind also willkommen. (Aber bitte nicht zu teuer, Karlssons Stundenlohn ist nämlich nicht ganz ohne. Der Babysitter von damals war eindeutig überbezahlt…)

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Du denkst doch dran, Mama?

Das Prinzchen im Fünfminutentakt: 

„Nicht vergessen, Mama, wir müssen noch Turnzeug kaufen für mich. Für die Schule, weisst du.“

„Denkst du dran, dass ich noch Bleistifte brauche vor dem ersten Schultag?“

„Mama, weisst du denn eigentlich, an welchem Tag die Schule beginnt? Nicht dass wir den ersten Tag verpassen.“

„Du hast nicht vergessen, dass die Turnschuhe keine schwarzen Sohlen haben dürfen, nicht wahr?“

„Aber wir haben ganz bestimmt noch genügend Zeit, alles zu besorgen, bevor die Schule beginnt, oder?“ 

„Haben wir einen wasserdichten (sic!) Stift? Wir müssen ja noch alles anschreiben. Nicht vergessen, gell Mama…“

„Eine Schachtel sollte ich noch haben. Reicht es, wenn wir sie nächste Woche kaufen, oder hat die Schule dann schon angefangen?“

„Meine Schulsachen sind alle schon gepackt. Also ja, alles, was ich schon habe. Du denkst doch dran, dass ich noch nicht ein paar Sachen brauche? Ich will wirklich alles dabei haben, wenn die Schule anfängt…“

Mein liebes Prinzchen, du denkst doch nicht etwa, ich würde so etwas Wichtiges wie deinen ersten Schultag verpassen? Und überhaupt: Du weisst doch, dass ich nun schon seit vielen Jahren deine Geschwister durch die Schulzeit begleite und in solchen Dingen ein alter, erfahrener Hase bin, auf den man sich blind verlassen kann. Oder willst du etwa behaupten, ich hätte bei Karlsson, Luise, dem FeuerwehrRitterRömerPiraten und dem Zoowärter jemals nur den klitzekleinsten Papierschnipsel vergessen? 

(Wie, hat da einer gelacht? Vielleicht sogar ein Lehrer?)

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Ja, mein Prinzen,

Brot-Snobs

Karlsson findet, im Restaurant, wo er neulich mit der Klasse zum Brunch war, hätten sie keine Ahnung, wie man anständige Baguettes und Croissants bäckt. Zoowärter beklagt sich, das Brot in der Migros sei auch nicht mehr, was es mal gewesen sei. Viel zu weich, fast schon wie Gummi sei es. Kommt ausnahmsweise mal wieder ein Brot aus der Bäckerei auf den Tisch, geht des Gemotze erst recht los. Das Zeug könne man nun wirklich nicht essen, ob ich es überhaupt noch verantworten könne, in einem Laden Geld auszugeben, der so wenig auf anständige Qualität gebe, wollen die Knöpfe unisono wissen. 

Nach aussen gebe ich natürlich die Moralistin. „Nun seid doch dankbar für das, was ihr habt. Andere Kinder müssen hungern“, sage ich, wenn sie jammern, weil gerade nichts Ofenfrisches zu haben ist. Insgeheim bewegt es mich aber sehr, dass sie inzwischen zu regelrechten Snobs in Sachen Brot geworden sind, denn damit sagen sie mir, dass ich auf meinem Weg, richtig gutes Brot zu backen ein ganzes Stück weiter gekommen bin. Und eigentlich bin ich kein bisschen besser als meine Brut, habe ich doch gestern, als „Meiner“ und ich endlich mal wieder ein paar Momente ohne Kinder in der Bar am Fluss sassen, das Brot kaltschnäuzig verschmäht, obschon es eines war, das ich vor noch nicht allzu langer Zeit als durchaus gut bezeichnet hätte. 

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Warum Erziehung Social Media braucht

Erörterungen, warum es in Sachen Social Media Erziehung braucht, gehören schon längst zum Kanon der pädagogischen Literatur. Zu Recht natürlich, denn so ganz ohne Leitplanken würde die heranwachsende Generation wohl noch gebannter aufs Display starren als ihre Erzeuger es fast den ganzen Tag tun. Weil wir aber zwischen drei Facebook-Nachrichten und acht Tweets gerne so tun, als fänden wir die sozialen Medien ganz furchtbar böse und verwerflich, übersehen wir Eltern leicht, welch ein Segen das Zeug sein kann. Wie, ihr findet, ich würde mal wieder übertreiben? Mitnichten. Es ist nämlich so:

Mama-Teenager-Beziehung ohne Social Media:

Mama: „Du bist ein wunderbarer Mensch.“

Teenager grunzt irgend etwas Unverständliches.

Mama: „Komm, lass dich umarmen!“

Teenager grunzt wieder, lässt sich widerwillig Mamas Arm um die Schulter legen.

Mama: „Ich hab dich soooo lieb!“

Teenager zuckt peinlich berührt die Schultern und schüttelt damit auch gleich Mamas lästigen Arm ab.

Mama (seufzend): „Manchmal habe ich das Gefühl, du magst mich überhaupt nicht mehr.“

Teenager (genervt): „Mama, wo sind meine Converse?! Immer versteckst du sie.“

Mama (beleidigt): „Bin ich für dich eigentlich nur noch das Dienstmädchen? Immerhin bin ich die Frau, die dich geboren hat…“

Mama-Teenager-Beziehung mit Social Media, hier zum Beispiel WhatsApp am späten Abend:

Teenager: Hallo Mama! 😍

Mama: Alles gut bei dir? 💖

Teenager:👌💐😘

Mama: 😊 Schlaf gut!

Teenager schickt Mama ein irrwitziges Selfie.

Mama: 😂😂😂

Mama schickt auch irgend ein schräges Bild.

Teenager: 😂😂😂😂😂😂😂😂😂😂😂😂

Mama: Hab dich lieb! 😍🌟⭐️😘😘💖💖

Teenager: Ich dich auch!🌹💚💛💜💙💞💕💖💝💝😍😍

Mama: 💞💚⭐️🌟😘

Teenager: 💞🌼💖💖💖💖💖🎀🎀 …. und so weiter, bis beide wieder wissen, wie viel sie einander bedeuten und bis zur nächsten Krise viel entspannter miteinander umgehen können. 

 

Wunschliste

Eine treue Leserin hat mich gebeten, eine Wunschliste mit erwünschtem, alltagstauglichem Lehrerverhalten zu erstellen. Eine Bitte, der ich gerne nachkomme, obschon ich mich dabei auf dünnes Eis begebe, lebe ich doch selber mit einem Lehrer unter einem Dach. Ich muss also aufpassen, was ich sage… Bevor ich loslege, möchte ich noch die folgende Bemerkung vorausschicken:

Grundsätzlich bin ich der Lehrerschaft sehr wohlgesinnt und ich habe grossen Respekt vor einer Arbeit, die ich selber nie, aber auch wirklich gar nie, länger als drei Tage am Stück ausüben könnte, ohne in der Klapsmühle zu landen. Solange jemand die Kinder wirklich mag und in seinem Beruf mehr sieht als nur lästige Pflichterfüllung, fresse ich ihm oder ihr aus der Hand. Wisst ihr, was ich zu meinen Kindern sage, wenn sie sich bei mir über eine solche Lehrperson beklagen wollen? Ich sage: „Okay, das war vielleicht etwas ungeschickt von ihr/ihm. Aber die Frau/der Mann leistet unglaublich gute Arbeit, hat ein Herz aus Gold und schlägt sich den ganzen Tag mit dir rum, ohne sich zu beklagen. Also beklag dich nicht über sie/ihn.“ (Wenn die Liebe zu Kindern und Job nicht da ist, ist das natürlich eine ganz andere Geschichte, aber wir tun heute mal so, als gäbe es diesen Fall nicht.)

Um den Lehrpersonen mit Herz die Arbeit zu erleichtern, präsentiere ich im Folgenden also meine Wunschliste. (Die anderen dürfen natürlich auch mitlesen, aber wie ich in den vergangenen Jahren erfahren habe, sind denen meine Wünsche so ziemlich egal.) 

  • Schluss mit diesem Zettelkrieg! Himmel, wir leben im 21. Jahrhundert, alle haben Internet und kaum einer verbringt so viel Zeit am Smartphone wie wir Eltern. Also bitte, bitte, bitte liebe Lehrer tragt eure Infos täglich auf der Homepage eurer Schule ein, wo wir sie zu jeder Tages- und Nachtzeit abrufen können. Die Hausaufgaben könnt ihr auch gleich dort bekannt geben, unsere Kinder notieren sich ohnehin immer nur die Hälfte. Für die ganz wenigen Familien, die noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen sind, könnt ihr die Infos ja noch ausdrucken („Print Screen“), aber wir anderen wären ganz schrecklich dankbar, wenn nicht immer so furchtbar viel Papier ins Haus flatterte.
  • Wo wir schon bei den Infos sind: Bitte denkt daran, dass wir Eltern nicht den ganzen Tag untätig zu Hause sitzen und darauf warten, bis ihr uns eine Anweisung gebt. Wollt ihr also auf Schulreise gehen, könnt ihr uns dies nicht erst am Vortag, vorzugsweise am späten Nachmittag, mitteilen. Wenn unsere Kinder verreisen, müssen wir Essen einkaufen. Wir müssen Instrumentallehrer und Sporttrainer ins Bild setzen. Wir müssen unseren Chefs sagen, dass es etwas später wird, weil unser Kind später als üblich aus dem Haus geht. Wir müssen die Betreuungseinrichtung informieren, dass das Kind nicht kommt. Und dann gibt es noch so unverbesserliche Vendittis, die das ganze Haus nach Wanderschuhen in der richtigen Grösse absuchen müssen. All das braucht Zeit, die wir nicht mehr haben, wenn wir erst in letzter Sekunde erfahren, wohin es geht und was es dazu braucht. Das gleiche gilt übrigens für alle anderen ausserordentlichen Veranstaltungen wie Schulfeste, Sporttage, Theateraufführungen, etc.
  • Ich flehe euch auf Knien an: Arbeitet mit uns Eltern an einer Lösung für das „Der Schulweg ist nicht Sache der Schule“-Problem. Mobbing beginnt oft auf dem Schulweg und findet nur schleichend den Weg ins Klassenzimmer. Experten raten uns Eltern ja, wir sollten uns nicht einmischen, weil das Kind sonst noch mehr leidet. Wie aber sollen wir uns raushalten, wenn die Schule schulterzuckend sagt: „Ach so, das ist auf dem Schulweg vorgefallen? Na, dann ist das aber nicht unser Problem.“ Es ist sehr wohl euer Problem, genau so, wie es unser Problem ist, denn unser beider Arbeit wird erheblich erschwert, wenn ein Kind leidet. 
  • Kommen wir zu den Hausaufgaben: Müssen die so sein, wie sie jetzt sind? Ich meine, inzwischen weiss man ja, dass sie nur selten wirklich sinnvoll sind und nur wenig zum Lernprozess beitragen. Wie wär’s, wenn ihr den Kindern nur noch dann Hausaufgaben aufgebt, wenn ihr auch wirklich ein klares pädagogisches Ziel damit verfolgt? Stunde um Stunde füllen unsere Kinder Blätter aus, ohne je den Sinn dahinter zu begreifen. Stunde um Stunde korrigiert ihr diese Blätter, ohne je einen wirklichen Lernfortschritt zu erkennen. Ich will ja nicht gleich das ganze System revolutioniert sehen, aber wie wär’s wenn ihr euch auf der Lehrerfortbildung mal mit den Gedanken der Querdenker auseinandersetzet? Die liefern meist wertvollere Impulse als die weltfremden Schreibtischtäter in den Bildungsdepartementen.  
  • „C‘ est le ton qui fait…“: Glaubt mir, liebe Lehrer, ich weiss, wie sehr einen Kinder an den Nerven zerren können und auch bei mir kommt es ziemlich schief raus, wenn ich überreizt bin. Ich erwarte also keineswegs, dass ihr andauernd nur mit Säuselstimme Liebesbezeugungen von euch gebt, wenn euch die Blagen auf den Nerven herumtanzen. Wenn die Kinder aber mit schlotternden Knien zum Lehrerpult kommen und die Eltern beim Besuchstag strammstehen, dann stimmt etwas nicht mehr. Nur sparsam angewendet entfaltet der Kasernenhofton seine volle Wirkung. (Wie, ihr meint, ich könnte doch gar nicht wissen, wie ihr im Unterricht mit den Schülern redet, ich sei ja gar nicht da? Glaubt mir, die Stimmung unserer Kinder ist ein exaktes Messinstrument, auf dem ich bei der Heimkehr sehr genau ablesen kann, wie das Klima im Klassenzimmer war.)
  • Schulleitbilder: Ich weiss, ihr habt manche quälende Sitzung über euch ergehen lassen, bis das Papier endlich stand, vielleicht habt ihr euch wegen des einen oder anderen Punkts sogar ernsthaft mit eurer störrischen Kollegin überworfen und jetzt wollt ihr nie wieder etwas von diesem elenden Leitbild hören. Ich muss euch dennoch bitten, die Sache noch einmal zu überarbeiten. Warum nicht fünf, sechs Punkte, an denen man mit den Schülern auch wirklich arbeiten kann, anstelle dieses endlosen Katalogs, den doch keiner umsetzen mag, weil man sich schon längst nicht mehr dran erinnern kann, was alles drinsteht?  
  • Diese Einträge… Ich habe mir ja lange überlegt, ob ich es überhaupt noch einmal erwähnen soll, wo ich mich doch schon mehrmals ausführlich darüber ausgelassen habe, zum Beispiel hier. Eines muss ich aber zu dem Thema doch noch loswerden: Ich werde über jeden Fetzen Papier, den mein Kind zu Hause vergessen hat, ins Bild gesetzt und muss unterschreiben, dass ich die Sache zur Kenntnis genommen habe. Geht es meinem Kind aber wirklich dreckig, weil es in der grossen Pause angespuckt worden ist, oder weil es andauernd von den gleichen drei Kindern aufs Übelste gehänselt wird, herrscht grosses Stillschweigen. Nicht fair. Mehr kann ich dazu nicht sagen, es schmerzt zu sehr. 
  • Nach diesem Punkt ist Schluss, versprochen, aber der muss noch sein: Gruppen wählen im Sportunterricht. Muss ich euch wirklich dran erinnern, wie es sich angefühlt hat, immer der Letzte zu sein, der gewählt wurde? Ach so, ihr könnt euch ja gar nicht erinnern, wie das war, denn ihr habt wohl zu denen gehört, um die man sich beim Bilden der Teams geprügelt hat. Sonst hättet ihr schon längst begriffen, dass diese Art der Gruppenbildung verboten gehört. 

Jetzt, wo ich mir das von der Seele geschrieben habe, bleibt mir nur noch eins, nämlich den Lehrerinnen und Lehrern zu danken, die es gar nicht nötig haben, solche Wunschlisten durchzulesen, weil sie es einfach im Blut haben, die Kinder anständig zu behandeln. Solche Lehrer gibt’s,  und einige meiner Kinder haben sogar das grosse Glück, bei ihnen zur Schule zu gehen. 

power; prettyvenditti.jetzt

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Vor den Sommerferien…

  • Schulreiseproviant rechtzeitig einkaufen, aber nicht so früh, dass sich irgend ein Ausgehungerter sich darüber hermacht, wenn keiner hinschaut.
  • Instrumentallehrer frühzeitig vorwarnen, dass das Kind vielleicht auf Schulreise sein wird und dann im letzten Moment wieder dran denken, Bescheid zu geben, dass die Reise ins Wasser fällt und darum für die Instrumentallehrer bedeutungslos ist. 
  • Lehrer über den Arzttermin informieren, der leider während der Schulzeit stattfindet, was dir aber insgeheim gar nicht leid tut, weil es ja nicht deine Idee war, den Schülern in regelmässigen Abständen diese gelbe Ärztekarte abzugeben, die kurz vor Schuljahresende wieder zurück beim Lehrer sein muss und weil Kinderärzte dünn gesät sind, musst du eben die Termine nehmen, die man dir anbietet. (Und auf gar keinen Fall vergessen, die Ärztekarte zur Ärztin mitzubringen, ausfüllen zu lassen und wieder in die Schule mitzugeben, denn nur darum gehst du ja zur Ärztin, wenn die Kinder gar nicht krank sind.)
  • Blätter sammeln. Ein Mäppchen für Stundenpläne und Lehreradressen, die erst nach den Sommerferien relevant sein werden. Ein Stapelchen für Schulreisezettel, die dann doch wieder unauffindbar sind, wenn du wissen willst, wann du dein Kind abholen musst, weshalb es irgendwann mit vorwurfsvollem Blick in der Küche steht und wissen will, warum du die einzige Mama warst, die nicht am Bahnhof gewartet hat. Ein Stapelchen mit den Anweisungen für das Schulhausfest. Den Läusezettel aber, den lässt du gleich im Altpapier verschwinden. Erstens, weil du ganz und gar nicht gewillt bist, dich noch einmal auf Läuse einzulassen und zweitens, weil du inzwischen sämtliche Tricks, die sie dir noch verraten wollen, getestet und als untauglich verworfen hast. 
  • Mindestens einen halben Tag lang den kommenden Samstag (Schulhausfest) auf die Sekunde genau planen, weil Kind Nr. 5 sein Essen pünktlich um halb zwölf unter Aufsicht der Lehrperson einnehmen muss und genau dann wieder in deine Obhut entlassen werden soll, wenn Kind Nr. 3 in einem anderen Winkel des Geländes erwartet wird und Kind Nummer 4 zum Essen unter Obhut der Lehrperson erscheinen soll.  (Das ist nur ein winzig kleiner Ausschnitt aus dem Tagesprogramm.) Okay, ich weiss, drei von fünf sollten das allmählich alleine können, aber das Programm muss trotzdem in deinem Kopf abgespeichert sein, falls einer einen wichtigen Einsatz (z. B. Essen fassen) verpasst und deswegen heulend und hungrig dasteht. 
  • Irgendwie dafür sorgen, dass jedes Kind, das wegen eines Lehrerwechsels heimlich noch irgend einen Beitrag zum Klassengeschenk fertigstellen muss, diesen Beitrag auch wirklich rechtzeitig fertigstellt. (Und peinlich berührt erfahren, dass eines deiner Kinder, von dem du geglaubt hast, es hätte dies bereits getan, den Beitrag im Schulsack vergessen hat. Nein, du willst nicht wissen, in welchem Zustand dieser Zettel nach vier Tagen Schulsackaufenthalt ist.)
  • Endlich entscheiden, ob du allen Lehrpersonen, von denen sich deine Kinder Ende Schuljahr verabschieden, eine kleine Aufmerksam schenken sollst, oder nur jenen, die es auch verdient haben, die sich auch darüber freuen werden. 
  • Daran denken, wer wann Abschiedsfest oder sonst ein Spezialprogramm hat und deshalb nicht zum Mittagessen nach Hause kommt, damit du a) nicht andauernd zu viel kochst und b) nicht jeden Tag um Viertel nach zwölf wie ein kopfloses Huhn durchs Quartier rennst und nach deinen verloren geglaubten Kindern suchst. 

Und bitte auf gar keinen Fall alle diese Dinge durcheinanderbringen. 

wehre do you hide your money?; prettyvenditti.jetzt

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Schlafverschwendung

Früh aufstehen ist eine Qual, darin sind wir uns hoffentlich einig. (Nein, bitte lasst es mich NICHT wissen, wenn ihr das anders seht. Es würde meinem positiven Bild, das ich von euch da draussen habe, einen schlimmen Kratzer verpassen und ich weiss nicht, ob ich eure Kommentare danach noch freundlich beantworten könnte.) Also, früh aufstehen ist eine Qual und jede Sekunde, die man länger im Bett bleiben darf, ist ein kostbares Geschenk, das es mit Schnarchen und Kuscheln gebührend zu würdigen gilt. Lässt man seine Knöpfe also jeden Morgen so lange schlafen, wie es nur irgend möglich ist, ohne dass sie zu spät zur Schule kommen, erweist man ihnen einen wunderbaren Dienst, für den sie einem gefälligst auf den Knien danken sollen. 

So sehe ich das und darum war meine Erklärung für das allmorgendliche „Ich will nicht zur Schule“-Theater, das uns der FeuerwehrRitterRömerPirat seit Jahr und Tag aufführt, naheliegend: Das Kind hasst die frühen Morgenstunden ebenso sehr wie ich. Lassen wir ihn also so lange schlafen, wie es nur geht, dann kommt das schon gut. Es kam…na ja, wie soll ich sagen? Nicht so gut. Immer nur antreiben, mit Belohnungen ködern, drohen, neben ihm sitzen, damit er sich endlich anzieht… Das volle Programm, das im Erziehungsratgeber allerhöchstens unter der Rubrik „Auf gar keinen Fall so!“ auftaucht. Ein elender Teufelskreis, aus dem wir alle erst ausbrechen konnten, als „Meiner“ beschloss, nicht mehr mitzuspielen.

„Dann sieh doch selber, wie du in die Schule kommst“, sagte er eines Tages und weckte den Jungen fortan frühmorgens um sechs, also ganze neunzig Minuten bevor er aus dem Haus muss. (Wenn ihr mich fragt, grenzt so etwas an Kindesmisshandlung, aber mich fragt ja mal wieder keiner…) Und was tat unser bis anhin so störrische Dritte? Trödelte am Frühstückstisch. Trödelte beim Anziehen. Trödelte auf dem Sofa rum. Trödelte beim Zähneputzen. Trödelte neunzig Minuten lang fröhlich vor sich hin (und zog sich dabei mein „GEO Epoche“ über die RAF rein, weshalb er mich jetzt andauernd nach Menschen fragt, die er sich auf gar keinen Fall zum Vorbild machen soll). Trotzdem war er früher aus dem Haus als je zuvor, aufgedreht und fröhlich wie sonst noch nicht mal am ersten Schultag.

Bedenklich, finde ich, aber ich muss wohl lernen, damit zu leben, dass es Menschen gibt, die fröhlich auf fünfundvierzig Minuten kostbaren Schlafes verzichten, nur um eine geschlagene Viertelstunde damit vergeuden zu können, sich zwei Socken über die Füsse zu ziehen. 

l' heure bleue; prettyvenditti.jetzt

l‘ heure bleue; prettyvenditti.jetzt

Wir müssen reden…

„Frau Venditti, Ihr Sohn hat gestern…“

„Da müssen wir wirklich mal über die Bücher, Frau Venditti. Es läuft mit ihm einfach nicht, wie es sollte.“

„Frau Venditti, könnten Sie bitte dafür sorgen, dass er…“

„So kommen wir nicht weiter, Frau Venditti. Er sollte unbedingt…“

Was auch immer wir tun, die Sätze, die wir zu hören bekommen, ähneln sich alle irgendwie. Richten wir unser Augenmerk auf die eine Sache, läuft es in einem anderen Bereich schief und wenn wir glauben, jetzt sei mal alles in Butter, erfahren wir, dass dennoch etwas krumm gelaufen ist. Er fühlt sich schlecht, weil wir wieder schimpfen, wir fühlen uns schlecht, weil wir wieder dastehen, als würden wir uns nicht kümmern. Es will einfach nicht gelingen, weder ihm noch uns, darum fange ich an, sie zu fürchten, diese „Frau Venditti, wir müssen reden“-Sätze.

Was bin ich froh, dass in diesen Tagen vorzugsweise „Meiner“ ans Telefon geht. Irgendwie befreiend, wenn es zur Abwechslung mal heisst: „Herr Venditti, wir müssen reden…“

(Ach ja, was ich noch sagen wollte: Wir glauben trotzdem an ihn. Da gäbe es nämlich auch Qualitäten zu entdecken, nicht nur Probleme.)

 

Tischgespräch mit Teenagern

Wenn wir ausnahmsweise mal nur zu viert essen, Karlsson, Luise, „Meiner“ und ich, dann bekommen wir Eltern Folgendes zu hören: „Ihr müsst halt die Kleinen an die kurze Leine nehmen. Abends eine Stunde lang Hörbuch und wenn dann keine Ruhe herrscht, am nächsten Abend keine Geschichte…“ „Genau! Und jeder in sein eigenes Bett, wenn sie nicht ruhig sind. So, wie bei uns früher.“ „Und am nächsten Tag keine Glace, wenn sie nicht parieren!“ „Ihr seid einfach zu wenig streng mit ihnen. Bei uns wusstet ihr noch, wie man den Tarif durchgibt. Aber die Kleinen, die machen bis spätabends Party.“  Das alles nicht etwa vorwurfsvoll, sondern im Tonfall eines besorgten Familienbegleiters, der einen Erziehungsratgeber verschluckt hat. Gerade so, als stünden wir am Rande des Nervenzusammenbruchs, weil wir unseren jüngeren Kindern nicht mehr beizukommen wissen.  Dabei sind wir nicht etwa verzweifelter als früher, unsere Grossen sind inzwischen einfach dem Glauben verfallen, als sie noch klein waren, hätte noch so etwas wie Zucht und Ordnung geherrscht in dieser Familie. Vermutlich behaupten sie demnächst, sie hätten jeweils jeden Abend um acht tief und fest geschlafen.