Hörbuchfassung

Tucholskys „Schloss Gripsholm“ stand schon seit Ewigkeiten auf meiner To-Read-List, doch natürlich dachte ich immer nur dann an das Buch, wenn ich entweder keinen Buchladen in der Nähe hatte, kein Guthaben mehr auf der Kreditkarte, um mir das Buch runterzuladen oder schlicht keine Zeit zum Lesen. Die Zeit zum Lesen ist ja ohnehin nicht grosszügiger bemessen, seitdem fast alle Vormittage und einige Nachmittage kinderfrei sind. Die kinderfreie Zeit füllt sich wie von selbst mit Schreib-, Haus- und Gartenarbeit und darum musste Gripsholm warten, genau wie all die anderen Bücher, die auf meiner endlosen Liste stehen.

Gestern schliesslich war ich des Wartens auf „Gripsholm“ so müde, dass ich tat, was mir andere Mütter schon seit Jahren empfehlen, wenn ich über meinen Mangel an Lesezeit klage: Ich besorgte mir die Hörbuchfassung. „Endlich hat sie’s eingesehen“, werden nun meine Mitmütter seufzen, aber ich muss euch bitten, mit dem Seufzen gleich wieder aufzuhören. Wie hätte ich mich denn einem Hörbuch widmen sollen, wo bei uns doch immer ein Heidenlärm herrscht, wenn mehr als zwei Personen im Haus sind? Und mehr als zwei waren es bis vor Kurzem fast immer.

Nein, kommt mir jetzt bitte nicht mit dem Argument, ich hätte es eben mit Kopfhörern versuchen müssen, dann hätte ich schon viel früher Bücher hören können. Wie wäre denn so das Gezänk meiner Kinder an mein Ohr gedrungen? Und überhaupt: Habe ich Kopfhörer im Ohr, sehe ich nichts. Und habe ich eine Sonnenbrille auf der Nase, höre ich nichts. Keine Ahnung, warum, aber es ist so.

Hörbücher kommen also erst jetzt in Frage für mich und nachdem ich die Hälfte von „Gripsholm“ hinter mir habe, weiss ich, dass ich erst am Anfang einer wunderbaren neuen Leidenschaft stehe. Gut, solange unsere Kinder noch minderjährig sind, werde ich mit der Literaturauswahl etwas vorsichtig sein müssen. Als Luise gestern in die Küche platzte, war sie ziemlich entsetzt, dass die „Prinzessin“ gerade nackt durchs Schlafzimmer ging, weil sie gebadet hatte.

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Sommerfaulheit

Die Johannisbeeren wollen zu Gelée werden, die Lindenblüten zu Sirup. Die Wachteln warten auf das grosse Ausmisten, der Kompost aufs Umgraben. Die Dreckwäsche weiss nicht, wie sie ohne meine Hilfe in die Waschküche kommen soll, die saubere Wäsche wiederum fragt sich, wann ich ihr endlich die Treppe hoch helfe. Die Tomaten wünschen, dass ich den Löwenzahn entferne, der sich zu ihren Füssen niedergelassen hat, die Melonen müssen in die Schranken gewiesen werden. Karlssons Violine soll in die Reparatur, für den Zoowärter und Luise müssen Cellos her. Die Kinder sollten ihre Joker-Tage beziehen, weil sie Ende Schuljahr verfallen, meine Arbeitstage werden von katholischen Feiertagen und ihren Brückentagen aufgefressen. 

Ich müsste mich jetzt ganz dringend einmal aufraffen, doch die Sommerferienlaune hindert mich mit allen Mitteln daran. 

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Früh am Morgen

Der FeuerwehrRitterRömerPirat will nicht aufstehen, vergiesst sogar ein paar Tränen. Mit gutem Grund, wie sich drei Minuten, bevor er aus dem Haus müsste, herausstellt. Die Hausaufgaben sind nämlich nicht fertig gelöst, aber daran ist Papa schuld, denn der hat gestern Abend angeblich gesagt, der FeuerwehrRitterRömerPirat dürfe mit seinen Freunden auf den Schulkirschbaum, auch wenn die Hausaufgaben noch nicht ganz fertig seien.  Ja, die Mama hat ausdrücklich gesagt, zuerst müsse alles fertig sein, aber wenn Papa das nicht eben so ausdrücklich sagt, sondern nur impliziert, kann doch der FeuerwehrRitterRömerPirat nichts dafür, dass die Hausaufgaben nicht erledigt sind. Und überhaupt, in diesem Haus findet man nie einen Bleistift, mit dem man die Hausaufgaben lösen könnte und daran ist ganz bestimmt nicht der FeuerwehrRitterRömerPirat schuld, genau so wenig wie all anderen, die in diesem Haus regelmässig Hausaufgaben lösen. Bleistifte, das muss man wissen, machen sich ganz von selbst aus dem Staub, wenn sie sich irgendwo attraktivere Arbeitsbedingungen erhoffen, zum Beispiel als Türsteher im Abflussrohr oder als Grabschaufler beim Begräbnis des Babyvogels, der den Sturz aus dem elterlichen Nest nicht überlebt hat. 

Der Zoowärter kommt nicht aus dem Bett, weil der Papa immer nur nein sagt zu allem und darum sagt der Zoowärter heute halt auch mal nein zur Schule, um den Papa für seine Sturheit zu bestrafen. Okay, ist vielleicht nicht ganz fair, dass jetzt die Mama zig Mal die Treppen hochsteigen muss, um ihn doch noch aus dem Bett zu jagen, das gibt der Zoowärter offen zu. Aber die Mama ist ja selber schuld, dass sie einen Mann geheiratet hat, der immer zu allem nein sagt, was dem Zoowärter gerade Spass machen würde. Irgendwann lässt sich der Junge doch noch dazu überreden, aus dem Bett zu kommen, aber nur, damit er dem Papa ins Gesicht sagen kann, dass heute nichts wird mit Schule. Und damit er der Mama vorhalten kann, sie liebe nur das Prinzchen, ihn aber gar kein bisschen. Das hat er ihr ja schon gestern und vorgestern gesagt, warum also steht sie nicht endlich offen dazu?  Und überhaupt: Wie will sie dem Zoowärter ausgerechnet an einen Tag wie heute, wo das Prinzchen mit einem ganzen Rucksack voller Leckereien und liebevoll mit Sonnencrème und Zeckenspray eingeschmiert aus dem Haus geschickt wird, weis machen, sie hätte alle ihre Kinder auf ihre ganz spezielle Weise gleich lieb? Und jetzt faselt sie davon, wie sie vor zwei Wochen, als der Zoowärter Schulreise hatte, genau gleich viel eingekauft hat. Das zählt doch nicht mehr, ist längst alles verdaut und vergessen. Zum Glück schenkt das Prinzchen dem störrischen grösseren Bruder ganz ohne Zwang eine ganze Schachtel Bonbons – „Ich kann doch nicht so viele Süssigkeiten essen!“ – und damit sind auch die Zweifel an Mamas Liebe wie weggeblasen. Als Entschädigung für den Zoff bekommt Mama sogar einen grasgrünen Bonbon geschenkt, was sie natürlich sofort als zoowärterschen Liebesbeweis deutet. 

Luise überkommen plötzlich die Zweifel, ob ihre neuen Shorts in der Schule überhaupt zugelassen sind, oder ob die in die Kategorie „Hot Pants“ fallen und damit verboten sind. Mama versucht ihr weis zu machen, dass diese Shorts gar keine Hot Pants sein können, weil sie diese ja ohne Luises Wissen gekauft hat und Mama würde ihrer minderjährigen Tochter ganz bestimmt nie im Leben Hot Pants erlauben oder gar kaufen. Luise ist nicht so recht überzeugt, denn die Schule tendiert dazu, die Dinge etwas enger zu sehen als Mama, doch aus Furcht, zu spät zu kommen, beschliesst sie, ihrer antiautoritär angehauchten Mutter zu glauben, auch wenn die Schule alles andere als antiautoritär angehaucht ist. 

Das Prinzchen verhält sich für einmal ganz kooperativ, was vermutlich an oben genanntem Rucksack liegt, Karlsson sagt ohnehin seit Wochen nichts anderes mehr als „Getrocknete Bananen“ und „Weli Gluscht gha han“ und erbringt damit den eindeutigen Beweis, dass er wohlbehalten in der Pubertät angekommen ist. „Meiner“ befindet sich in seinem alljährlichen „Ich bin mit meinen Nerven am Ende und weiss nicht mehr, wo mir der Kopf steht“-Schuljahresend-Tief, was sich zum Beispiel darin äussert, dass er ohne ersichtlichen Grund von mir wissen will, wo an meinem Laptop der „Print Screen“-Knopf zu finden ist und dann nicht sagen will, weshalb er diesen Knopf ganz dringend im Morgengrauen finden muss und dann erst noch ausgerechnet in dem Moment, in dem seine Frau gerade dabei ist, die Generalreinigung der Katzenkistchen vorzunehmen und ziemlich in der Sch…. steckt. 

Himmel, lass endlich diese Sommerferien beginnen!

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Ende der Geschmacksverirrung

Lange Zeit habe ich mir eingeredet, so schlimm könne es doch nicht sein, doch seit heute gibt es keinen Zweifel mehr: Ich werde alt. Es ist noch gar nicht so lange her, da war klar, dass am Ende eines Tages wie heute ein Teller Pasta mit Mayonnaise und Käse stehen würde. Ein Tag, der wegen einer Mischung aus Hormonen und unbezahlten Rechnungen mit einem Heulkrampf beginnt, der damit weitergeht, dass wildfremde Kinder in unserem Garten auftauchen und das Prinzchen piesacken, ein Tag, der gewürzt ist mit diversen kleineren und grösseren Dramen und der mit dem vierten Musikschulkonzert innerhalb von drei Wochen und quälenden Bauchkrämpfen endet. Ein Tag also, den man nicht gelebt, sondern mehr schlecht als recht hinter sich gebracht hat. Ein Pasta-mit-Mayonnaise-Tag eben. 

Wenn ich es denn noch über mich brächte, Pasta mit Mayonnaise zu essen. Doch der Comfort-Food, der mich bei Teenager-Liebeskummer, schlechten Mathenoten, endpubertären Streitereien mit „Meinem“, Hochzeitsstress, Schwiegermutter-Dramen, Schwangerschafts-Elend, Babyblues und endlosen Tagen mit störrischen Kleinkindern getröstet hatte, schmeckt mir nicht mehr. Einfach so, ohne jegliche Vorwarnung, sind meine Geschmacksnerven erwachsen geworden und tolerieren keine derartigen Geschmacksverirrungen mehr. 

Gut, ich hab‘ festgestellt, dass Pasta mit Butter und Käse auch ganz tröstlich sind, aber irgendwie riecht das halt nicht gleich wohlig nach Selbstmitleid. Vielleicht liegt’s daran, dass man mit zunehmendem Alter nicht mehr so ungeniert im Selbstmitleid baden darf, weil man ja weiss, dass es anderen viel dreckiger geht. 

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10 Dinge, die mir auf den Geist gehen

  • Hysterische Haushaltgeräte. Ihr wisst schon, diese Herdplatten, die beim kleinsten Tropfen Feuchtigkeit auf dem Schaltfeld hysterisch zu piepsen anfangen und erst wieder damit aufhören, wenn man sie zuerst mit einem leicht feuchten Lappen, dann mit einem frischen Küchentuch und schliesslich – wenn man nichts anderes mehr zur Hand hat – mit dem Rockzipfel oder dem Pulloverärmel trocken reibt. 
  • Wenn „Meiner“, der als Siebenjähriger offenbar zu anständig und zu schüchtern war, den Mitschülerinnen den Rock hochzuziehen, glaubt, er müsse diese prägende Erfahrung bei mir nachholen. Ich habe ihm dann zu verstehen gegeben, dass ich auf diesem Gebiet ganz und gar keinen Nachholbedarf habe, da ich im Alter zwischen drei und dreizehn ausschliesslich Röcke getragen habe und damit zur Zielscheibe sämtlicher Siebenjähriger wurde, die weniger schüchtern und anständig waren als „Meiner“ damals. 
  • Okay, damit mache ich mich jetzt unbeliebt: Dieses doofe „Happy, happy, happy“-Gedudel, dem man in diesen Tagen permanent ausgesetzt ist. Was, um alles in der Welt, gefällt euch allen so an diesem Lied? Mich treibt es auf die Palme.
  • Fruchtfliegen, die sich mangels anderer Alternativen auf dem Küchenlappen niederlassen. Muss ich jetzt meine Lappen wirklich mehr als einmal täglich wechseln?
  • Leute, die es nicht mal nötig haben, mir ein kurzes „Danke für die Anfrage, aber ich habe keine Zeit“ zukommen zu lassen, wenn ich sie höflich frage, ob sie mir allenfalls, wenn es ihnen nicht zu viele Umstände macht, ein paar Auskünfte für einen Artikel geben würden, den sie selbstverständlich vor der Publikation gegenlesen dürften, damit alles in ihrem Sinne wäre. 
  • Samstage, die vorgeben, sie wären nahezu kinderfrei, dabei verbringt man den halben Tag damit, die verschiednen Kinder zu verschiedenen Terminen zu karren. 
  • Schädlinge, die an sämtlichen Gemüsesorten ihre Spuren hinterlassen, aber nicht die Grösse haben, dazu zu stehen und sich zu zeigen. 
  • Die Peperoni-Sucht unserer Kinder. Ich meine, ist ja toll, dass sie Peperoni lieben, aber egal, ob ich das Doppelte, Drei- oder Vierfache der in den Rezepten vorgesehenen Menge kaufe, am Ende ist doch nichts mehr da, wenn ich am Herd stehe. Und dabei habe ich doch immer so ein furchtbar schlechtes Gewissen, wenn ich vor der Peperoni-Saison das Zeug aus Spanien oder Holland kaufe. 
  • Dass es mir nicht gelingt, mein Lachen zu verbergen, wenn das Prinzchen einen Mist gebaut hat und ich ihm eigentlich ganz ernst ins Gewissen reden möchte. Muss der seinen Unfug immer so charmant anstellen?
  • Haushaltgeräte, die dann, wenn man auf ihr Piepsen angewiesen wäre, weil dieses das Ende der Kochzeit anzeigen würde, plötzlich verstummen, so dass alles verkocht. Noch ärger sind nur noch Haushaltgeräte, die mal stumm bleiben und sich wenige Augenblicke später wieder hysterisch gebärden. Also zum Beispiel unser Kochherd. 

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Zu anspruchslos?

Es mag anmassend klingen, aber ich wage dennoch zu behaupten, ich sei – gemessen an den heutigen Standards – eine ziemlich anspruchslose Hausfrau. Monatelang habe ich mehr oder weniger klaglos ohne Geschirrspüler gelebt, als beide gleichzeitig den Dienst quittierten und jetzt, wo wir wieder einen haben, komme ich ganz gut klar damit, dass das Ding wohl angeschlossen, nicht aber fest installiert ist, so dass es jederzeit kippen könnte, wenn man nicht aufpasst. Gibt der Mixer endgültig den Geist auf, begnüge ich mich auch mit einem Schneebesen, bis im Budget Raum ist für einen Ersatz.  Ich kann getrost verzichten auf das ganze „Vertrau Pink, vergiss Flecken“-Zeug und alles andere, was sie einem in der Werbung anzudrehen versuchen.

Auch jetzt, wo ich mich beim Kochen seit Wochen mit zwei Herdplatten und einem dämlichen Camping-Ofen begnügen muss, bleibe ich anspruchslos und das ist ziemlich doof. Würde ich endlich mal kräftig motzen, anstatt täglich zu improvisieren, könnte ich schon längst wieder ganz komfortabel kochen.

Aber ich motze nicht, weil man sich ja auch so irgendwie arrangieren kann. Und weil ich „Meinen“, der schon mehr als genug um die Ohren hat, nicht auch noch unter Druck setzen will. Nein, das hat nichts mit fehlender Emanzipation zu tun, ich bin durchaus in der Lage, selber einen Ersatzofen zu organisieren. Das habe ich auch getan, dumm ist nur, dass dieser Ersatzofen nicht selber die Treppe hochkommen will. Im Hauseingang steht er nämlich bereits seit geraumer Zeit.

Allmählich ahne ich, dass er dort bleiben wird, wenn ich mich nicht endlich dazu durchringen kann, so richtig zickig zu behaupten, es sei unter meiner Würde, unter solch schlechten Bedingungen tagtäglich Essen auf den Tisch bringen zu müssen. Kann mir vielleicht jemand ein paar Nachhilfestunden geben? Ich weiss nämlich nicht so recht, wie man herumzickt. 

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Schreiben (und putzen) nach dem Faulus-Prinzip

In letzter Zeit werde ich wieder vermehrt gefragt, wie ich es denn fertigbringe, neben Familie, Job, Haushalt, Haustieren und Garten auch noch zu bloggen. Nun, seitdem ich wieder selber putze und dies auch vermehrt wieder alleine tue, ist es ganz einfach: Ich halte mich strikte an das Faulus-Prinzip. Ihr wisst schon: „Nun, ich hab‘ die erste Hälfte der ersten Platte fertig. Ich verschnauf‘ ein wenig, dann feg‘ ich die zweite Hälfte der ersten…Ich verschnauf‘ ein wenig, dann kommt die erste Hälfte der zweiten…ich versch…“

Oder konkret in meinem Fall: Ich fege einen halben Fussboden, dann tippe ich ein paar Sätze, die mir beim Fegen in den Sinn gekommen sind, dann fege ich die zweite Hälfte des Fussbodens, ich schreib‘ wieder ein wenig, ich putze den Spiegel, die Toilette und die halbe Badewanne, dann schreibe ich wieder… und so weiter, bis die Wohnung sauber und der Blogpost fertig ist. Glaubt mir, nie produziert mein Gehirn mehr Sätze, als wenn ich mit Staubsauger, Lappen & Co. durch die Wohnung renne. Und wenn ich an einem Tag besonders ausgefeilte oder besonders viele Posts veröffentliche, könnt ihr sicher sein, dass bei Vendittis zu Hause alles blitzblank geputzt ist. Ein voller Erfolg also, dieses Faulus-Prinzip. Ich empfehle es jedem, der sich über zu viel Dreck oder zu wenig Produktivität beim Schreiben beklagt. 

Und sollte jemand jetzt überhaupt nicht verstehen, wovon ich schreibe, empfehle ich ihm ganz dringend die Lektüre von „Asterix und der Arvernerschild“. 

Schalut schuschammen!

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So ist es gar nicht so schelcht

Gestern habe ich etwas ganz Verrücktes angestellt: Als die Kinder aus dem Haus waren, habe ich einfach meine Alltagsroutine links liegen gelassen und mir dieses Ding mit dem langen Schlauch geschnappt, das so fürchterlich Krach macht. Wie heisst es noch mal? Irgend etwas mit Dreck und saugen oder so. So ein hässliches graues Gerät, für das sie immer Werbung machen im Fernsehen. Ich hab‘ es mir also geschnappt und angefangen, damit in der Wohnung herumzurennen. Hat irgendwie Spass gemacht und darum griff ich gleich noch zu diesem besenartigen Gerät, das man anfeuchtet, bevor man es über die Fussböden zieht. Und weil auch das noch ganz amüsant war, zog ich zum Schluss ein paar bunte Stofffetzen aus dem Schrank, um mit ihrer Hilfe herauszufinden, wie es bei uns aussehen könnte.

Zwei Stunden lang tobte ich mich auf diese Weise aus, dann musste ich Schluss machen, weil die Kinder nach Hause kamen. Spielfelder, um mich weiter auszutoben, wären zwar noch ausreichend vorhanden gewesen, doch die Pflicht rief mich in meinen Alltag zurück. Obschon ich noch viel länger hätte spielen können, waren „Meiner“ und Luise tief beeindruckt von den Folgen meines kleinen Ausbruchs aus der Routine von Kochen, Tisch abräumen, Schreiben und Schadensbegrenzung. Es war fast wie früher, als ich noch regelmässig ganz alleine mit dem Saugding, den bunten Tüchern und dem besenartigen Ding spielte. Irgendwie lustig und zufriedenstellend. 

Es ist ja nicht so, dass ich heute nie mehr mit diesen Dingern spiele, die ich gestern aus dem Schrank gezerrt habe. Aber heute spiele ich nicht mehr alleine. Immer muss ich teilen, immer gibt es einen, der sich nicht an die Regeln halten will, immer tritt einer mit schmutzigen Füssen auf mein Spielfeld, immer steht einer schmollend am Rand und will nicht mitmachen.

Darum habe ich beschlossen, in Zukunft etwas egoistischer zu sein und wieder viel öfter ganz alleine durch die Wohnung zu toben. Macht einfach mehr Spass. Und für die anderen gibt es auch so noch mehr als genug zu tun. 

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Wenn die Kleider immer schlanker werden…

Wieder steht eine Hochzeit bevor und wieder habe ich meinen Vorsatz, mich rechtzeitig um das richtige Kleid zu kümmern, nicht eingehalten. Diesmal kein Problem, dachte ich, als ich mir die Auswahl anschaute. Kleider nach meinem Geschmack gibt es nämlich für einmal in Hülle und Fülle. Romantisch, verspielt, bunt, fantasievoll. Endlich würde ich zu einem Fest etwas anziehen können, was mir richtig gefällt. Ich träumte schon davon, wie ich an dieser Hochzeit aufkreuzen würde, herausgeputzt und dennoch ganz ich selber. Doch dann kam das Paket und damit die bittere Erkenntnis: Festliche Kleider nach meinem Geschmack werden nicht für Frauen wie mich geschneidert.

Vor einigen Jahren – so scheint mir – durfte Frau noch Busen und einige Kilos zu viel auf den Rippen haben, wenn sie sich nicht gerade in Kleidchen zwängen wollte, die eigentlich in der Kinderabteilung hängen müssten. Was dem Geschmack von Frauen über 35 entsprach, war auch angepasst auf den Körper einer Frau über 35. Klar, auch früher gab es schon Geschäfte, in denen ein Kleidungsstück, das mit Grösse 38 angeschrieben war, in Wirklichkeit knapp der Grösse 32 entsprach, doch solche Geschäfte habe ich zu meiden gelernt.

Ich mag mich nämlich nicht frustrieren lassen wegen eines vollkommen kranken Schönheitsideals, das in meinen Augen so gar nicht schön ist. Ich mag mich auch nicht kasteien, bis man meinem Körper die paar Schwangerschaften und einige ziemlich anstrengende Jahre nicht mehr ansieht (obschon ich nichts dagegen hätte, ein paar Kilos loszuwerden, aber alles mit Mass, wenn ich bitten darf). Wenn man nun aber für Kleider, die ganz offensichtlich nicht für „OMG! Ich hab‘ heute schon 200 Kalorien zu mir genommen“-Frauen geschneidert sind, weder Busen noch Hintern haben darf, schmerzt mich das. Vor allem, wenn die Dinger nicht mal dann passen, wenn ich sie zur Sicherheit eine Grösse grösser bestellt habe, als ich sie üblicherweise trage.

Morgen schicke ich meine Traumkleider schweren Herzens zurück ans Versandgeschäft. Wieder werde ich an einer Hochzeit in irgend etwas aufkreuzen, das mir nicht wirklich gefällt, aber immerhin halbwegs anständig aussieht. Um meinen Frust etwas zu dämpfen und wenigstens etwas richtig Schönes  tragen zu können, habe ich mir heute ein Paar getupfte Schuhe mit schwindelerregend hohem Absatz gekauft. Das Geld dafür habe ich mir übrigens mit einem Interview zum Thema Bettnässen verdient. Frauen wie ich entsprechen zwar nicht dem gängigen Schönheitsideal, dafür haben wir gelernt, auch noch dem unangenehmsten Thema etwas Schönes abzugewinnen. 

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Verstanden

Wer schon mal bei mir an eine Geburtstagstafel gesessen hat, kennt die Szene: Ich trage die Torte auf, die Gäste bewundern sie gebührend und ich sage: „Na ja, weisst du, hier oben müsste sie eigentlich blaugrün sein und nicht grasgrün. Die Marzipanrosen sind auch nicht so schön geworden, wie ich sei mir vorgestellt habe. Und so richtig aufgegangen ist der Kuchen auch nicht.“ Die Gäste protestieren, ich insistiere und am Schluss hat keiner mehr Lust auf Kuchen. 

„Warum mache ich das eigentlich?“, fragte ich mich heute, als ich im Morgengrauen in der Küche stand und einmal mehr ohne Erfolg versuchte, Luises Geburtstagstorte so hinzukriegen, wie ich sie mir vorgestellt hatte. „Reicht es denn nicht, dass ich mir alle Mühe der Welt gebe? Muss es denn auch perfekt sein?“ Das muss es nicht, beschloss ich.

(Warum, werde ich gleich sagen, doch erst muss ich dich, die du dies jetzt mit einem unverschämten Grinsen auf dem Gesicht mitliest, darum bitten, dieses Grinsen abzustellen. Oh ja, ich weiss genau, was du dir beim Lesen denkst. „Wie oft hab‘ ich dir das schon gesagt? Mindestens einmal an jedem Zoowärter-Geburtstag.“ Natürlich hast du es gesagt, aber du weisst ja, dass ich immer etwas länger brauche, bis ich die Dinge begreife. Jetzt also habe ich begriffen und darum darfst du aufhören zu grinsen.)

Ja, ich habe endlich begriffen, dass ich – wie so viele andere Mütter – einem Ideal nacheifere, das ich nicht erreichen muss. Klar, ich kann mir alle Gadgets zulegen, die früher nur Profis kaufen konnten, die speziellen Zutaten bekommt man inzwischen ebenfalls problemlos und im Internet wimmelt es von Anleitungen, die einem Schritt für Schritt zeigen, wie es gehen müsste. Und schon kann ich mitspielen im Rollenspiel, das da heisst „Jede(r) ist ein Meisterbäcker“.

Oh ja, es macht durchaus Spass, dieses Spiel zu spielen und es gibt Mitspieler(innen), die es zu erstaunlicher Professionalität bringen. Ihnen gelingen die ausgefallensten Kreationen, die sie zu Recht mit Stolz der virtuellen Öffentlichkeit präsentieren. Einige eröffnen gar ein nettes kleines Kaffee und werden in Zeitschriften portraitiert. Wir anderen staunen, wie Laien derart beeindruckende Backwerke zustande bringen und weil wir im gleichen Spiel mitspielen, glauben wir, wir müssten das auch können. Würden die gleichen Torten im Schaufenster einer Konditorei stehen, kämen wir nicht im Traum auf die Idee, nachmachen zu wollen, was wir sehen. Kreieren aber unsere ungelernten Mitspieler(innen) ein Kunstwerk, das einen vor Neid erblassen lässt, glauben wir müssten das auch können.

Warum auch nicht? Wir arbeiten ja mit den gleichen Zutaten, den gleichen Gadgets und nach den gleichen Rezepten wie sie, da sollten wir doch auch fertigbringen, was sie schaffen. Aber genau an diesem Punkt liege ich – liegen alle, die so ticken wie ich – falsch, denn bloss weil man das richtige Material hat, bedeutet das noch lange nicht, dass man auch das Talent dazu hat, die Dinge so zu machen, wie sie bei den anderen aussehen. Darum habe ich beschlossen, nicht mehr mitzuspielen und die Torten in Zukunft so zu backen, wie ich es kann. Nicht perfekt, aber mit Fantasie, viel Liebe und einem anständigen Rezept, damit man das Zeug auch essen kann. 

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