Musste das wirklich sein?

Ja, mich ärgert das auch mit diesen Vollidioten, die glauben, sie müssten als Clowns verkleidet Angst und Schrecken verbreiten.

Ja, ich frage mich auch, in was für einer Welt wir eigentlich leben, wenn Menschen auf solche hirnverbrannten Ideen kommen.

Ich frage mich allerdings auch, ob es sinnvoll ist, wenn die Medien der Sache so viel Aufmerksamkeit schenken, dass andere Vollidioten finden, sie müssten das jetzt auch machen.

Und ich frage mich, ob es klug ist, wenn Eltern ihren Kindern des Langen und Breiten von dieser Sache erzählen. Ich, für meinen Teil, habe mich entschieden, nur mit den Grossen, die selber in den Medien davon erfahren haben, darüber zu reden. Für die Kleineren hätte ich es vorgezogen, wenn sie Clowns weiterhin nur als Spassmacher im Zirkus kennen würden.

Aber ich hatte keine Wahl, denn offenbar gibt es in einigen Familien kein anderes Thema mehr, was dazu führt, dass es auf dem Pausenhof auch kein anderes Thema mehr gibt, was wiederum dazu führt, dass es auch an unserem Esstisch kein anderes Thema mehr gibt, was zur Folge hat, dass das Prinzchen sich abends nicht mehr in sein Bett traut.

Nein, es macht mir nichts aus, wenn er bei uns schläft. Aber auf die Angst, die ihn dazu treibt, in unserem Bett zu schlafen, hätte ich ganz gerne verzichtet.

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Darauf käme es also an…

Du kannst dir die Finger wund tippen, kannst stunden- und tagelang an einem Text feilen, bis er endlich so ist, wie du ihn haben möchtest, kannst Fakten recherchieren, bis du dir ganz sicher bist, dass du alles genau richtig verstanden hast, ehe du darüber schreibst, kannst Sätze so lange drehen und wenden, bis du sie im Schlaf auswendig hersagen kannst und am Ende musst du froh und dankbar sein, wenn alle drei Jahre mal einer sagt: „Hey, ich habe in der Zeitung etwas von dir gelesen. War gar nicht so schlecht, was du da geschrieben hast.“

Wird aber das Ganze, das du schon seit Jahren machst, mit einem Bild von dir garniert, denken die Leute plötzlich, du hättest einen unglaublichen Karrieresprung gemacht, du wirst von fremden Menschen auf deine tollen Texte angesprochen und manchmal schreibt dir sogar jemand, wie sehr er über deine Zeilen hat lachen müssen.

Welche Rolle das Optische beim Geschriebenen spielt, wird mir erst jetzt bewusst. Vielleicht hätte ich es in meinem Metier zu etwas bringen können, wenn ich mehr an meinem Aussehen als an meinem Schreibstil gefeilt hätte…

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Selbstzweifel? Aber nicht doch!

Wenn in einem Rezept steht, man müsse Apple Cider verwenden und man nimmt dann stattdessen Apple Cider Vinegar, was natürlich dazu führt, dass die Suppe nicht schmeckt – was tut man dann?

Geht man noch einmal die ganze Zutatenliste durch, um nachzusehen, ob man etwas falsch gemacht hat?

Sucht man nach einem Weg, wie das missratene Gericht noch zu retten wäre?

Schmeisst man entmutigt den Kochlöffel in die Ecke und fragt sich verzweifelt, ob man nicht mal im der Lage ist, eine anständige Suppe zu kochen?

Nun, früher, als man noch kein Internet hatte und nicht überall dazu aufgefordert wurde, der Welt mit Sternchen und Kommentaren mitzuteilen, wie toll oder wie grottenschlecht etwas ist, hätte man vielleicht etwas in der Richtung getan. Heute aber verleiht man dem Rezept einen von fünf Sternen, schreibt ein paar wütende Zeilen ins Kommentarfeld und behauptet frech, der Verfasser des Rezepts habe das völlig falsch gemacht mit diesem Vinegar. 

Eine Kleinigkeit nur, ich weiss, aber sie lässt mich dennoch einmal mehr zweifeln, ob es eine gute Idee war, die Menschen mit so viel Selbstbewusstsein vollzupumpen, bis sie die Fähigkeit verlieren, sich selber kritisch zu hinterfrag. Nichts gegen ein gesundes Selbstbild, aber manchmal denke ich, mit einer Prise Selbstzweifel gewürzt, würde alles ein wenig besser schmecken.

Vor allem, seitdem jeder Depp an jedem Ort die Möglichkeit geboten bekommt, sein Urteil abzugeben. 

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Danke!

Endlich ist er da, der Aufschrei und auch wenn ich aus Rücksicht auf meine Kinder, die solche Geschichten nicht auf diesem Weg erfahren sollen, darauf verzichte, meine eigenen Erlebnisse in die Welt hinaus zu schreien, so möchte ich doch all denen danken, die es tun. Ich wünsche mir, der Schrei möge erst dann verhallen, wenn auch der letzte der Idioten, die jetzt sagen, wir hysterischen Weiber sollten nicht so ein Theater machen, es habe uns doch auch ein bisschen Spass gemacht, endlich die Klappe hält.

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Entlarvt

Gestern im Zug eine Schülergruppe, begleitet von zwei Erwachsenen. Eine der beiden Frauen perfekt getarnt, damit sie unter den vielen jungen Menschen nicht so mittelalterlich aussieht, wie sie ist. Also eine Latzhose, die an den richtigen Stellen zerrissen ist und nur an einem Träger hängt, Jeansjacke, top moderne Sonnenbrille, an den Füssen ein Paar dieser schrecklichen Sneakers, die eigentlich aussehen wie orthopädische Schuhe und die trotzdem der letzte Schrei sind bei den Teenagern. Erst als sie zu reden anfängt, kann sie nicht mehr verbergen, welcher Generation sie angehört: „Hattet ihr denn viele schwierige Proben?“, fragt sie. Proben? Himmel, wer so genau weiss, wie sich die heutige Jugend kleidet, sollte auch wissen, dass kein Mensch mehr Proben schreibt. Tests, oder vielleicht auch Lernzielkontrollen, aber ganz bestimmt keine Proben.  

Es ist halt doch so, wie es immer schon war: Alle Anstrengungen, nicht alt aussehen zu wollen, helfen nichts, wenn man noch immer die Sprache seiner eigenen Jugendzeit spricht. (Was ja nicht verboten wäre. Mann sollte dann einfach nicht so krampfhaft darum bemüht sein, cool zu wirken.)

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Die sind imfall schon fast erwachsen

Es ist zwar schon eine Weile her, aber die Sache geht mir trotzdem nicht aus dem Kopf. Da sitze ich mit Karlsson in dieser Infoveranstaltung. Scharenweise sind die Teenager gemeinsam mit ihren bereits leicht angegrauten Eltern in die Aula gekommen, um zu lauschen, was ein Lehrer über Auslandaufenthalte, Eigeninitiative und Projektarbeiten zu sagen hat. Wie bei solchen Veranstaltungen üblich, gibt es am Ende Gelegenheit, Fragen zu stellen. Ein Vater hebt die Hand und will wissen: „Können Sie garantieren, dass die Kinder bis zum Ende ihrer Schulzeit mit den gleichen Gspänli in der Klasse bleiben werden?“

Himmel, diese „Kinder“ und „Gspänli“ stehen an der Schwelle zum Erwachsenenalter, einige von ihnen werden vielleicht schon bald für ein paar Monate alleine ins Ausland gehen, manche sind alt genug, um sich ganz legal Bier zu kaufen. Wäre es da nicht allmählich an der Zeit, nicht mehr über sie zu reden, als hätten sie eben erst ihren ersten Kindergartentag hinter sich?

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Mitfühlen

„Heute beim Spielen erzählte eines der Kinder, dass es von seinen Eltern geschlagen wird“, berichtete einer unserer Söhne neulich, als er nach Hause kam. „Immer, wenn es im Sport nicht so gut ist, oder wenn es seine Hausaufgaben nicht gut gelöst hat, wird es bestraft. Manchmal sogar, wenn es etwas haben möchte, was die Eltern nicht so toll finden.“ Sie hätten dem Kind vorgeschlagen, die Schule zu informieren, aber davor habe es Angst. Auch einen Anruf bei der Notfallnummer wolle es nicht machen, denn wenn das auskäme, würde alles noch viel schlimmer. „Am liebsten wären wir alle gleich zum Haus dieser Eltern marschiert, um ihnen zu sagen, dass sie nicht schlagen dürfen“, erzählte unser aufgebrachter Sohn weiter. „Das arme Kind tut mir so leid. Man müsste doch etwas tun können, um ihm zu helfen.“

Es dürfte den Spielkameraden wohl tatsächlich schwer fallen, dem Kind zu helfen, ohne seine Situation zu verschlimmern. Dass sie es ermutigt haben, die Sache nicht einfach hinzunehmen und mit ihm überlegt haben, wo Hilfe zu holen wäre, hat mich aber tief berührt. Ich glaube, wenn in meiner Generation ein Kind erzählt hätte, dass es zu Hause geschlagen wird, hätten nicht wenige in der Gruppe resigniert mit dem Kopf genickt und gesagt: „Ich auch.“

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Eigenartige Einstellung

In der Schule haben sie sich mühselig mit der Schnüerlischrift abgeplagt und noch heute geben sie der gestrengen Lehrerin von damals die Schuld an ihrer schlecht leserlichen Klaue. Wenn aber den eigenen Kindern „nur“ noch Basisschrift beigebracht wird, sind sie entsetzt, weil die Jugend von heute nicht mehr „richtig schön“ schreiben lernt. Wo, so fragen sie, bleibt da die Disziplin?

Die endlosen Nachmittage, an denen sie über sinnlosen Hausaufgaben gebrütet haben, sind ihnen in schlechtester Erinnerung geblieben. Wie viel lieber hätten sie draussen gespielt. Wenn aber ihre eigenen Kinder weniger, dafür sinnvollere Hausaufgaben bekommen, beschweren sie sich, die Knöpfe würden total verweichlicht. 

Grammatik und Rechtschreibung haben sie zutiefst gehasst und noch heute will ihnen kaum ein korrekter Satz gelingen. Dennoch sind nicht selten sie diejenigen, die sich beklagen, heutzutage würden die Kinder nicht mehr richtig lesen und schreiben lernen. 

Die ruppige Behandlung durch den Klassenlehrer haben sie bis heute nicht richtig verdaut. Wäre er nicht gewesen, hätten sie es bestimmt viel weiter gebracht im Leben, aber sie hatten ja so furchtbar Angst vor ihm und konnten deshalb nichts lernen. Am Elternabend aber kritisieren sie, die Kinder würden viel zu sanft angefasst, nur mit einer gehörigen Portion Strenge könne etwas aus ihnen werden.

Der Drill im Sportunterricht war ganz schrecklich für sie. Noch heute scheuen sie jede Anstrengung. Das hindert sie aber nicht daran, kritisch zu bemerken, ihre Kinder müssten im Turnunterricht ja rein gar nichts mehr leisten, da müsse man sich nicht wundern, wenn sie immer dicker würden.

Immerhin in einem Punkt sind diese Eltern konsequent: Sie wählen mit Vorliebe Politiker, die mit allen Mitteln versuchen,  die Bildung zu Tode zu sparen. Auf dass den Lehrern ihrer Kinder nichts anders übrig bleibe, als die Schultage mit öder Paukerei – welche die Eltern zwar gehasst haben, aber immerhin kennen – totzuschlagen. Am liebsten noch mit den Schulbüchern von anno dazumal, denn dann lernt man auch etwas Rechtes.

(Wobei mich beim einen oder anderen modernen Oeuvre auch das Gefühl beschleicht, man hätte sich das Papier, auf dem es gedruckt ist, sparen können…)

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Beziehungsarbeit

Es ist doch stets das gleiche Lied: Eines deiner Haushaltgeräte fängt eines Tages an zu rebellieren. Anstatt stillschweigend seine Pflicht zu tun, führt es sich auf einmal ungebührlich auf, erledigt seine Arbeit schlampig und droht dir gar mit Streik, wenn sich nicht bald etwas ändert. Du versuchst, das störrische Ding mit besonders viel Zuneigung wieder zurück auf den Pfad der Tugend zu bringen, doch das hilft meistens wenig und wenn du nicht willst, dass es zum endgültigen Bruch zwischen dir und dem Gerät kommt, bleibt dir am Ende nichts anderes übrig, als einen Experten ins Haus zu holen, der eure Beziehung wieder kittet. Wortreich klagst du dem Herrn erst am Telefon, dann von Angesicht zu Angesicht dein Leid, du erklärst ihm, wie du alles in deiner Macht stehende unternommen hast, um dein Haushaltgerät zur Raison zu bringen und natürlich lässt du deutlich durchblicken, dass es nicht deine Schuld ist, dass das Verhältnis derart zerrüttet ist.

Ja, und was tut er dann, der Herr Experte? Bläst er dem störrischen Geschirrspüler, Backofen oder was auch immer es ist, mal gehörig den Marsch? Sagt er ihm klar und deutlich, dass es so nicht weitergehen kann? Aber nicht doch! Er beugt sich lieber mit sorgenvollem Blick zu dem bockigen Ding herab, streichelt ihm sanft über sämtliche Ecken und Kanten und murmelt dabei: „Ja, was hast du denn, meine arme kleine Zuckerschnecke? War die Mama wieder böse zu dir?“ Von nun an bist du Luft für den Experten, er hat nur noch Ohren für das, was dein Gerät zu sagen hat und am Ende heisst es dann, wenn du besser hingehört hättest, mehr Mitgefühl gezeigt hättest, mehr in die Beziehung investiert hättest, dann wäre es nie soweit gekommen. Vielleicht liesse sich noch etwas retten, aber nur, wenn du dich in Zukunft ändern würdest.

Weil es doch immer so läuft, fürchtete ich mich heute früh fast ein wenig vor dem Besuch des Experten, der sich angekündigt hatte, um zu sehen, ob die Beziehung zu unserem unfolgsamen Kühlgerät noch zu retten ist. Am Ende würde er doch wieder mir die ganze Schuld in die Schuhe schieben. Ja, vielleicht würde er gar damit drohen, mir das Sorgerecht für das Gerät zu entziehen…

Nun, für einmal sollte es anders laufen. Anfänglich sah es zwar noch ganz danach aus, als wolle der Herr mir weismachen, da bestünde gar kein Konflikt zwischen mir und dem Kühlschrank, doch ziemlich bald musste er erkennen, dass ich nicht ohne Grund gejammert hatte. Es sei ja wirklich eine Schande, wie verweichlicht diese Geräte heutzutage seien, meinte er. Die Hersteller würden zwar eine Lebensdauer von mindestens zehn Jahren versprechen, aber das gelte ja nur für Haushalte, in denen die faulen Dinger nie einen Finger krumm machen müssten. „Bei Ihnen aber“, sprach er und sah sich in meiner unordentlichen Küche um, „müssen die Geräte eben noch etwas leisten. Sie backen Ihr eigenes Brot, Sie kochen und waschen für eine grosse Familie und bestimmt müssen Sie auch ganz viele Lebensmittel kühlen. Da müsste man sich doch verlassen können auf die Helfer im Haushalt.“ Er schimpfte auf die nichtsnutzigen Dinger, schilderte mir ausführlich, mit welchen Tricks die Hersteller die Beziehungskrise zwischen Besitzer und Gerät programmieren und legte mir ans Herz, mich bei Neuanschaffungen auf gar keinen Fall von überteuertem Klimbim blenden zu lassen, denn das führe fast immer zu bitteren Enttäuschungen.

Als der nette Herr ging, war ich in zweifacher Hinsicht getröstet:

  1. Die vielen zerbrochenen Beziehungen zu Haushaltgeräten waren nicht meine Schuld. Ich bin also gar nicht so beziehungsunfähig, wie andere Monteure mir hatten weis machen wollen.
  2. Die Kluft, die sich zwischen dem Kühlgerät und mir aufgetan hat, weil es nicht leistet, was ich von ihm erwarte, ist überwindbar. Der Experte meint zwar, es brauche noch etwas Geduld von meiner Seite, aber sobald die Ersatzteile eingetroffen seien, werde er dafür sorgen, dass ich wieder neues Vertrauen fassen könne zu dem unzuverlässigen Mistvieh, das uns ausgerechnet mitten im Hochsommer im Stich gelassen hat. (Okay, ich geb’s ja zu. Diese letzten, nicht gerade konstruktiven Worte stammen von mir. Vielleicht muss ich doch auch noch ein wenig an mir selber arbeiten…)

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Umgangsformen

Gestern sah ich im Internet ein Inserat, das mich interessierte. Also schrieb ich dem Verkäufer eine Nachricht und zwar so, wie ich das für anständig halte: Höfliche, aber eher informelle Anrede, ein einleitender Satz, zwei Fragen und freundliche Grüsse. Ein paar Stunden später kam die Antwort. Ohne Anrede, ohne Gruss, einfach nur drei Worte: „Ist schon weg!“

Ich war offen gestanden ziemlich brüskiert, aber auch verunsichert. Macht man das heutzutage so? Muss ich einen auf Kulturpessimismus machen? Oder beweist meine Empörung über die kaltschnäuzige Antwort, dass ich allmählich wirklich alt werde?

Karlsson, der noch deutlich weniger Jahre auf dem Buckel hat als ich, teilte meine Empörung. So etwas gehe nun wirklich nicht, meinte er. Mindestens eine Anrede und ein Gruss wären Pflicht gewesen.

Im ersten Moment beruhigte mich Karlssons Reaktion. Offenbar sind gute Manieren noch nicht gänzlich abgeschafft worden. Dann aber fiel mir ein, dass Karlsson seine Korrespondenz vorzugsweise handschriftlich in schwungvollen Buchstaben, wie sie zuletzt wohl vor neunzig Jahren in Mode waren, erledigt.

Ob einer, der ganz offensichtlich im falschen Jahrhundert zur Welt gekommen ist, als Experte für Umgangsformen im Jahr 2016 taugt?

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